Angekommen dank „Ankommen“: Eduardo fühlt sich in seinem FSJ und der neuen Heimat Berlin pudelwohl

ankommen_klein_wpPeru, Bilbao, Berlin – Eduardos Weg auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive war weit. Dank des von der Europäischen Union geförderten Projektes „Ankommen“ absolviert er jetzt ein Freiwilliges Soziales Jahr.

„Ich habe eine enge Verbindung zu meiner eigenen Großmutter und einen guten Draht zu älteren Menschen“, erzählt der junge Mann mit dem schüchternen Blick. Dass Eduardo mit diesem Draht im Evangelischen Geriatriezentrum Berlin (EGZB) genau richtig ist, ist ein Glücksgriff für beide Seiten: Der 20-jährige Spanier peruanischer Herkunft wünscht sich eine berufliche Perspektive und in der Pflege wird dringend motiviertes Personal gebraucht. Gesucht und gefunden, möchte man meinen. Doch der Weg hierher war etwas komplizierter.

Als seine Mutter sich 2005 mit der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben aus ihrer Heimat Peru ins spanische Bilbao wagt, bleibt Eduardo zunächst bei seiner Großmutter zurück. Schnell findet Eduardos Mutter in dem Land, das ihr zumindest von der Sprache her vertraut ist, eine Arbeitsstelle in der Seniorenbetreuung. Sie holt ihren damals 15-jährigen Sohn nach und beide erhalten bald einen spanischen Pass. Eduardo besucht die Schule, die er mit mittlerer Reife abschließt, jobbt in einem Restaurant, spielt Basket- und Volleyball. Doch mit der Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008/2009 vor allem Südwesteuropa trifft, wendet sich das Blatt. Als Zugewanderte sind Mutter und Sohn besonders schnell von Arbeits- und Perspektivlosigkeit betroffen. Eduardo hat keinerlei Chancen in Spanien, als die Jugendarbeitslosigkeit in die Höhe schnellt. Seine Mutter kann die beiden trotz mehrerer Jobs kaum über Wasser halten. Mit ihrem letzten Geld machen sie sich auf den Weg nach Deutschland.

Zuwanderer aus Südeuropa auffangen

„Es ist eine wahnsinnige Erfahrung, als junger Mensch aus einem völlig anderen Kulturkreis nach Europa zu emigrieren und dann nach kurzer Zeit von Spanien nach Deutschland zu ziehen – zwei Länder, die sich zwar in vielem ähneln, aber doch große politische und kulturelle Unterschiede aufweisen“, sagt Uwe Orlowski, Berater im Projekt „Ankommen“. „Diese vielen neuen Eindrücke zu verkraften, sich allen Herausforderungen zu stellen und dabei noch so motiviert zu bleiben, ist eine große Leistung.“

„Ankommen“ ist ein Projekt der „Die Wille“ in Kooperation mit dem lateinamerikanischen Frauenverein „Xochicuicatl e. V.“ und wird aus Mitteln des „Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“ (EHAP) gefördert. „Ankommen“  richtet sich speziell an Zugewanderte aus Spanien, Italien, Portugal und Griechenland, die in Folge der Wirtschaftskrise nach Deutschland kamen. Meist jung und gut ausgebildet sind diese Migranten in Deutschland dennoch von Armut bedroht, da sie selten über finanzielle Eigenmittel verfügen und gleichzeitig keinen Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen haben. „Unsere Gesellschaft und Wirtschaft sollte diesen Fachkräften mehr Chancen bieten“, betont Orlowski.

„Ankommen“ und bundesweit mehr als 60 weitere Projekte für zugewanderte EU-Bürgerinnen und -Bürger wollen das ändern. An die hundert Hilfesuchende haben seit Projektstart im Januar 2016 den Weg in die kostenlose soziale Beratung von „Ankommen“ gefunden. Der Verein „Xochicuicatl e. V.“ hat ähnlich viele Anfragen. Mit viel Einsatz, Know-how und einem starken Netzwerk unterstützen Orlowski und seine Kolleginnen Noemí Alcalá und Flaminia Bartolini die Ratsuchenden, individuell, professionell und mehrsprachig. Eine besondere Gruppe bei „Ankommen“ bilden Menschen aus Lateinamerika mit europäischem Pass, die bereits einen zweiten Migrationsweg über Südeuropa hinter sich haben und meist mit der Absicht kommen, für immer zu bleiben. So wie Eduardo und seine Mutter. Wie viele Migrantinnen hat Eduardos Mutter bereits Erfahrungen in der Pflege und in Spanien eine Art Pflegebasiskurs absolviert, der eine gute Grundlage bildet, jedoch die deutlich umfangreichere Ausbildung in Deutschland nicht ersetzt. An erster Stelle steht bei ihr allerdings erst einmal das Erlernen der deutschen Sprache.

Betreuer Mike Heinig weist Eduardo in die Verwaltungsarbeit des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin ein © DIakonie.de/Verena Manhart

Betreuer Mike Heinig weist Eduardo in die Verwaltungsarbeit des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin ein © Diakonie.de/Verena Manhart

Netzwerke und Potentiale nutzen

Ihr Sohn ist bereits einen Schritt weiter. „Wir wollten ihn möglichst schnell in ein Arbeitsumfeld bringen“,  erzählt Orlowski. Da der 20-Jährige Interesse an einem sozialen oder medizinischen Beruf zeigt, mobilisiert Orlowski sein Netzwerk im Evangelischen Johannesstift und vermittelt Eduardo als ersten Projektteilnehmer in ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), in dem er medizinisches Personal bei der Arbeit unterstützen kann.

„Oft haben die Menschen, die zu uns kommen, ja ganz andere Probleme und benötigen Sprachkurse, akute Beratung bei Wohnungsnot oder wegen psychischer Probleme“, erzählt Orlowski. „Aber ich weise zunehmend auch auf Praktika und FSJ hin, weil dies ein guter Weg ist, beruflich Fuß zu fassen.“ Das findet auch Mike Heinig, Leiter der Stationsassistenz und Patientenkoordination am EGZB, und ergänzt: „Die Pflege muss sich viel attraktiver aufstellen. Wir brauchen in Zukunft tausende neue Fachkräfte, da muss man das vorhandene Potential doch nutzen und einsetzen.“

Heinig betreut Eduardo während seines FSJ, anfängliche Bedenken wegen unzureichender Sprachkenntnisse legten sich in seinem Team schnell. „Unser tägliches Ritual ist ein 10-Minuten-Gespräch über Gott und die Welt“, erzählt Heinig. „Eduardo macht wahnsinnig schnell Fortschritte.“  Derzeit trainiert der Leiter der Patientenkoordination mit seinem Schützling für eine Patientenbefragung, die Eduardo eigenständig durchführen soll.

Der freut sich über neue Aufgaben. Und darüber, in Deutschland eine Perspektive gefunden zu haben. „Ich liebe Berlin!“ schwärmt Eduardo. „Die Stadt ist multikulturell, ich fühle mich hier sehr wohl und die Arbeit macht mir viel Spaß.“ Dass es ganz danach aussieht, als ob er endgültig in Deutschland angekommen ist, bestätigt auch Heinig: „Wenn Eduardo weiterhin so ein Pensum vorlegt, dann würden wir ihn sehr gerne im Haus behalten.“ Stolz schwingt in seiner Stimme mit.

Du interessierst dich für ein FSJ bzw. einen Freiwilligendienst im Evangelischen Johannesstift Berlin? Hier findest du alle Informationen und Ansprechpartner dazu: http://www.evangelisches-johannesstift.de/diakonisches-bildungszentrum/fsj-zivildienst-freiwilligendienst