Freiwilligendienst in der Slowakei

Eine Kollegin und ich an Halloween

Hannes (20) macht sein Diakonisches Jahr im Ausland in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Von Mathe unterrichten bis Weihnachtsengel basteln hat er alles schon gemacht – und dabei gelernt, das Leben lockerer zu sehen. „Was, du gehst in die Slowakei? Weißt du denn, was du dir da antust?“, fragten meine Freunde. Ja, ich dachte, dass ich es wüsste. Ich erwartete Trabants, Plattenbauten und eiskaltes Wetter. Doch als ich in der Slowakei ankam, fuhren mir stattdessen VWs und BMWs entgegen. Von Kälte war bei gefühlten 30°C im Schatten nichts zu spüren. Und Plattenbauten? Nicht vorhanden! Hatte ich mir etwa das falsche Land ausgesucht? Ich wollte doch in den Osten, mich gegen Eisbären wehren, nebenbei noch die Welt retten!

Als ich das erste Mal in meine Einrichtung kam, war ich froh, dass ich dort jemandem zugewiesen wurde, der des Englischen mächtig war. Auf dem Programm stand Weihnachtsengel basteln (mitten im Sommer!). Also habe ich zusammen mit einer Klientin einige Figuren getöpfert. Ich habe einzelne Teile aus dem Ton geschnitten und mit Kleister beschmiert, während sie diese dann mit meiner Hilfe angeklebt hat.

Das lepsi svet – eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung

Allein das freudige Gesicht von ihr dabei zu sehen, war jede Mühe wert. Jeder Zweifel darüber, ob dieses Jahr nicht totale Zeitverschwendung sein könnte, war wie weggeblasen! Sie hat mir alles Mögliche erzählt, aber außer ein paar Wörtern, die ich vorher in einem zweiwöchigen Sprachkurs in der Slowakei gelernt hatte, habe ich nichts verstanden. Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran, entweder nicht alles oder – was öfter vorkam – gar nichts zu verstehen. Fröhliches Nicken war meine Devise. Mit der Zeit stellten sich aber auch Erfolge ein und ich freute mich über jede Konversation, die ich auf Slowakisch zustande brachte. Da wurde eine verstandene Frage wie „War das alles?“ oder „Hannes gib mir mal …“ zu einem Erfolgserlebnis.

Der Arbeitstag im lepsi svet („bessere Welt“), der Einrichtung für Menschen mit Behinderung, ist übersichtlich gegliedert. Morgens werden Klienten in verschiedene Gruppen aufgeteilt, in die ich mich dann zuordnen kann. In einer Gruppe werden Keramiken, in einer anderen Blumengestecke oder auch Arbeiten aus Papier hergestellt. Nach dem Mittagessen gibt es Lehrangebote, in denen die Klienten Geschichte, Tanzen, Deutsch, Englisch, Slowakisch und Mathematik lernen sollen. Auch bei diesen Lehraktivitäten kriege ich unheimlich viel zurück: Ich freue mich, wenn die Klienten – dank meiner Hilfe – lernen, Mathematikaufgaben zu lösen. Außerdem gibt es zu verschiedenen Anlässen immer wieder besondere Aktionen. So musste sich zum Beispiel an Halloween jeder verkleiden. Es gab verschiedene Stationen, in denen die Klienten unterschiedliche Aufgaben erledigen mussten, um anschließend zu einem Schatz zu gelangen.

Das Arbeiten mit geistig behinderten Menschen macht mir enorm viel Spaß und ich fühle mich teilweise wieder wie ein Kind. Da kann ich beim Essen eine halbe Stunde Spaß daran haben, mit Servietten zu werfen. Oder auch mal einen halben Nachmittag sich gegenseitig durch die Haare zu wuscheln und zu kitzeln ist kein Problem. Für mich ist der Ausdruck, dass ein Lächeln Welten versetzen kann, hier auf jeden Fall wahr geworden! Aber auch aus kleinen Unannehmlichkeiten versuche ich das Beste zu ziehen. So beantworte ich die täglich wiederkehrenden Fragen einer bestimmten Klientin nach den Berufen meiner Eltern oder wann ich denn nach Hause fahre jeden Tag neu und trainiere so automatisch mein Slowakisch!

Mit der Betreuung von Seiten des DJiAs bin ich sehr zufrieden. Neben einem Sprachkurs einmal in der Woche haben wir immer die Möglichkeit, uns bei Problemen an unsere Koordinatorin Nata zu wenden. Auch durch Aufmerksamkeiten wie kleine Geburtstagsgeschenke, fühle ich mich in der Organisation gut aufgehoben. Dieses Gefühl wird durch gemeinsame Aktionen sehr bestärkt. Ein nicht unerheblicher Teil dessen, warum mein Jahr bisher so gut verlaufen ist, ist auch die gute Vorbereitung des DJiA-Teams. Danke dafür! Auch für das Notfallpaket möchte ich mich bedanken – auch wenn ich es noch nicht aufgemacht habe und es wahrscheinlich auch nicht tun muss.

Auch persönlich hat sich bei mir im Laufe des Jahres viel verändert. Durch die Auszeit zwischen Schule und Studium habe ich Zeit zu reflektieren. „Wer bin ich eigentlich und was mache ich eigentlich hier?“ bzw. „Wo stehe ich eigentlich“? Diese Frage für mich beantwortet zu haben, bringt mir sehr viel im Leben. Durch die Erfahrungen mit einer anderen Kultur habe ich eine ganze andere Sicht auf meine eigene deutsche bekommen: Es ist nicht so dramatisch, wenn ich mal 10 Minuten zu spät komme. Ich habe für mich gelernt, dass wir Deutschen uns manchmal viel zu sehr in Stress versetzen wegen Kleinigkeiten. Auch habe ich gelernt, mal nein sagen zu können, wie „Nein, ich werde jetzt nicht schon wieder der Dumme sein, der den Abwasch macht“. Weiterhin habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich mal zurückzunehmen. Aber auch seinen Mund aufzumachen, da man sonst Gefahr läuft, sich selbst zu verlieren. Allgemein hat mir das DJiA geholfen, das Leben lockerer zu sehen. „Ohh, wir haben in der Wohnung über uns einen Wasserrohrbruch?“ Egal, solange wir Handtücher haben, wird uns schon nicht der Himmel auf den Kopf fallen! Am Anfang war ich total unsicher, aber die ganzen Erfahrungen haben mir geholfen, mich zu entwickeln und zu einem offenen Menschen heranzuwachsen. Ich freue mich auf den Rest des Jahres, da mir die Arbeit viel gibt und es eine wunderbare Gelegenheit ist, mich und die Welt besser kennen zu lernen.

 

Alle Infos zum Diakonischen Jahr im Ausland hier.

Hannes macht ein Diakonisches Jahr im Ausland (DJiA) über die Evangelischen Freiwilligendienste für junge Menschen FSJ und DJiA gGmbH.

 

Sein Dienst wird gefördert als Europäischer Freiwilligendienst über das Programm „Jugend in Aktion“ der Europäischen Kommission.