Mit super Noten hat Marina (22) aus Russland ihr Studium der Germanistik und ausländischen Literatur an der Staatsuniversität Ivanovo 360km nordöstlich von Moskau abgeschlossen. Danach kam das Angebot ihrer Uni, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland zu machen. Klar, warum nicht? Marina verbringt ihr FSJ in der Tagesförderstätte Bothfeld in Hannover.
In der Tagesförderstätte Bothfeld werden schwer und mehrfach behinderte Erwachsene betreut. Vor ihrem Einsatz dort hatte Marina überhaupt keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderung, denn Einrichtungen wie die Tagesförderstätte gibt es in ihrer Heimat nicht. „In der ersten Woche habe ich gedacht: Ich schaff‘ das nicht“, erinnert sie sich. Die 22jährige wusste nicht, wie sie mit den Bewohnern umgehen sollte. Alles war schwierig und neu, zum Beispiel das Essen Reichen oder die Begleitung zur Toilette. „Ich hatte Angst, dass ich etwas falsch mache oder dass ich jemandem wehtue“, erklärt Marina. Am Anfang war auch die Sprache ein Problem: „Einige der Menschen mit Behinderung sprechen nicht und andere haben mich nicht richtig verstanden, weil mein Deutsch noch nicht so gut war.“ Nach 14 Tagen und viel Zuspruch und Unterstützung durch die Kollegen fühlte sie sich schon deutlich besser. Nach einem Monat hatte sie das Gefühl, mit allen ihren Aufgaben sehr gut zurechtzukommen.
Marina hilft inzwischen in der Wäschegruppe der Tagesförderstätte. Die Wäschegruppe ist eins von vielen Angeboten für die Menschen mit Behinderung, die dort betreut werden. Sie kümmern sich um die ganze Wäsche des Hauses. Sie legen gemeinsam die Bettbezüge oder Handtücher zusammen oder befüllen die drei Waschmaschinen und Trockner im Wäscheraum. In der Wäschegruppe geht es darum, den Menschen, die besondere Förderung brauchen, eine sinnvolle Beschäftigung zu geben, bei der sie Selbstbestätigung erfahren und das gute Gefühl „Ich kann etwas tun, das anderen hilft“. Inzwischen ist die Wäschegruppe für FSJlerin Marina wie eine entspannte Familie, in der sie sich gut aufgehoben fühlt und in der sie die Verantwortung für andere mitträgt.
Eine Vertrauensperson an ihrer Uni hatte Marina und den anderen Absolventen geraten, das FSJ unbedingt zu machen, um wichtige Erfahrungen für die eigene Persönlichkeit zu sammeln. Sie hat ihnen auch prophezeit, dass sie sich verändern würden. Und damit behält sie Recht, das spürte Marina bereits nach einem halben Jahr. „Früher hatte ich Mitleid mit Menschen mit Behinderungen. Heute weiß ich, dass sie einfach das gleiche Leben führen wollen, wie Menschen ohne Behinderung. Außerdem hat sie gelernt, über die kleinen Dinge im glücklich zu sein: „Schönes Wetter oder die Sonne, darüber freuen sich Menschen mit Behinderungen oft viel mehr als Menschen ohne Behinderung.“
Ihr FSJ ist bald zu Ende, Marina will in Deutschland bleiben. Wie es weitergehen könnte, weiß sie auch schon. Noch sind ihre Diplome hierzulande leider nicht anerkannt. Deshalb möchte sie den sozialen Berufen erst mal treu bleiben und ab Herbst eine Ausbildung machen. „Wenn du die Lust, den Wunsch und die Möglichkeit hast, so viel zu lernen wie möglich und du es kannst, musst du es machen“, sagt sie.