Sebastian Niemczyk macht die neue Generalistische Pflegeausbildung bei der Diakonischen Stiftung Friedehorst in Bremen. Im Rahmen dessen bekam er jetzt die Chance, mit einer Kollegin für zwei Wochen zum Auslandspraktikum nach Riga in Lettland, zu fahren. Was er dort erlebt hat, erzählt er euch im Interview.
Sebastian, warum hast du dich für die Pflegeausbildung entschieden?
Nach meinem erweiterten Hauptschulabschluss habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im Altenheim gemacht – das war das erste Mal, dass ich mit alten und kranken Menschen zu tun hatte. Ich habe erlebt, wie Kleinigkeiten ausreichen, um sie glücklich zu machen: wenn man einfach bei ihnen sitzt und ihnen zuhört. Plötzlich nahm ich auch die Senioren in meiner Nachbarschaft ganz anders wahr.
Du machst die neue Generalistische Pflegeausbildung, die bald in ganz Deutschland eingeführt werden soll – was hältst du davon?
Ich finde es sehr gut, dass Alten- und Krankenpflege zusammengefasst werden. Nur die Kinderkrankenpflege passt nicht so recht dazu. Ich kann mir nicht vorstellen, Frühchen eine Spritze zu setzen, da fehlt mir die Erfahrung.
Wie kam es jetzt zu deiner Riga-Reise?
Ein Vorteil der Generalistischen Ausbildung ist, dass man damit in Zukunft auch im europäischen Ausland arbeiten kann. Und da habe ich Lust drauf! Darum war ich gleich interessiert, als uns Vertreter der Diakonie Bremen über das Auslandspraktikum berichtet und Bilder gezeigt haben. Es gab auch die Möglichkeit, nach Italien zu fahren, aber ich dachte: Da wollen alle hin – dann schaue ich mir lieber den Osten an.
Was habt ihr dort erlebt?
Wir haben in einer Einrichtung geholfen, die zwar „Pflegeheim“ hieß, aber in der nur sechs alte Damen untergebracht waren. Die meisten Senioren werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt – weil es so Sitte ist, aber auch, weil sich viele einen Platz im Altenheim nicht leisten können. Der kostet 450 Euro im Monat, die Rente liegt bei 470 oder 490 Euro.
Wir waren erstaunt, dass in Lettland Hygiene und Dokumentation in der Pflege nicht so aufwändig betrieben werden wie in Deutschland – stattdessen stehen die Menschen im Mittelpunkt. Die Dokumentation läuft so ab, dass man abends kurz vor Feierabend ein paar Notizen macht. Wir kamen meistens nach dem Frühstück und haben die Bewohnerinnen betreut. An zwei Tagen haben wir in der angegliederten Ambulanz geholfen, wo eine Ärztin ehrenamtlich Menschen versorgt, die sich keinen Arztbesuch leisten können.
Was hast du aus deinem Auslandspraktikum gelernt?
Hier in Deutschland wird auf sehr hohem Niveau gejammert. Wir haben in Riga geholfen, einen LKW mit Spenden aus Deutschland auszuladen. Selbst die gebrauchten Gehstöcke wurden uns aus den Händen gerissen, weil sich die lettischen Senioren keine Gehstöcke leisten können. Einer Frau wurde ihr Stock im Supermarkt geklaut. Das war sehr schlimm für sie, denn sie war sehr wackelig auf den Beinen und konnte ohne Stock ihre Einkäufe nicht mehr alleine machen. Sie war so froh über ihren neuen gebrauchten Stock, dass sie uns sogar Geld dafür geben wollte!
Und wie hat euch Riga als Stadt gefallen?
Es ist sehr schön dort! Wir haben die zweitgrößte Holzkirche der Welt besichtigt, waren bei einem deutschen Gottesdienst dabei und haben einen Ausflug mit einem Pastor gemacht. Wir Deutschen sind in Riga gern gesehen. Die Stadt ist ein gesunder Mix aus alt und modern, da wird es nicht langweilig. Allerdings gibt es fast immer nur Suppe zu essen, zum Beispiel Rote Beete-Suppe. Das war nicht so mein Fall. Zum Glück waren Lebensmittel billig, wir haben uns anders versorgt. Dafür waren Waschpulver und Seife unglaublich teuer. Man lernt bei so einem Auslandspraktikum viel dazu, sieht wie es anderswo ist und wie gut wir es in Deutschland haben. Ich kann es nur empfehlen!
Vielen Dank, Sebastian, und viel Erfolg für deine Ausbildung!