Altenpflege-Azubine Leonie Kube (41) ist in ihrem Leben noch nicht viel gereist. Es mangelte am Geld, lange standen ihre Töchter (heute 20 und 14) im Mittelpunkt. Doch als ihr Ausbildungsleiter in der Altenpflegeschule der diakonischen Stiftung Friedehorst sie jetzt fragte, ob sie an einem Auslandspraktikum teilnehmen wolle, hat sie gleich ja gesagt! Angeboten wird das Ganze von der Diakonie Bremen, finanziert über das Erasmus+ Programm.
„Ich wäre vorher nie auf die Idee gekommen, nach Rumänien zu fahren“, gesteht Leonie, „Aber als Italien und Rumänien zur Auswahl standen, hat es mich interessiert, mal zu sehen, wie es dort mit der Altenpflege so läuft. Meine Freunde haben gesagt: Wieso Rumänien? Geh doch nach Italien! Aber das hat mich nicht gereizt, ich stelle es mir dort ziemlich ähnlich vor wie in Deutschland. Moderne, große Einrichtungen, den Bewohnern geht es gut. Rumänien ist da ganz anders, eine andere Welt!“
Leonie Kube und ihre drei Kollegen*innen waren die erste Azubis, die in den Genuss dieses neuen Angebots der Diakonie Bremen kam. „Wir wurden ein bisschen ins kalte Wasser geschmissen und es blieb auch nicht viel Zeit zur Vorbereitung. Zwei Monate später ging’s schon los!“, erzählt sie. Ziel der Reise im Mai 2015 war Schäßburg in Siebenbürgen, eine Kleinstadt mit 28.000 Einwohnern, deren historische Altstadt zum Weltkulturerbe gehört.
Schäßburg ist Partnergemeinde von Bremen und wird regelmäßig mit Hilfsgütern unterstützt. Leonie und ihre Kollegin kamen im Pfarramt unter. Die Einrichtung, in der sie eingesetzt waren, war das „Pflegenest Schäßburg“. Das heißt tatsächlich so, ein deutsches Wort, denn Siebenbürgen war früher Deutsch besiedelt und die älteren Bewohner sprechen dort auch Deutsch. So konnte sich Leonie Kube ohne Probleme mit ihnen verständigen.
„Das Pflegenest ist eine ganz, ganz kleine Einrichtung mit 8 Betten“, erzählt sie, „spartanisch eingerichtet mit Hilfsgütern aus Bremen: ausrangierten Betten und Nachtschränken. Alles unmodern, aber sauber und heil. Bedarf gäbe es theoretisch viel mehr, aber das Problem ist, dass die meisten rumänischen Senioren nicht in ein Pflegeheim wollen! Sie wollen zu Hause bleiben, egal wie schlecht es ihnen dort geht. Ich habe das bei einer ambulanten Tour gesehen, die ich begleitet habe: Die Menschen sträuben sich mit Händen und Füßen. So waren auch nur sechs der acht Betten im Pflegeheim belegt, später kam noch ein siebter Bewohner dazu.“
In den ersten Tagen hat Leonie Kube nur zugeguckt, später auch mitgearbeitet. Zwei Bewohner waren tatsächlich pflegebedürftig, die anderen noch recht selbstständig. Der Arbeitsalltag war daher ganz anders als Leonie Kube es von ihrem Alltag auf Station kennt. „Wir haben mit den Bewohnern gemeinsam gegessen, mal ein Spiel gespielt oder uns unterhalten. Denen geht es im Pflegenest gut, sie haben ja selber nichts – wenn überhaupt eine Rente, dann ist das ein Witz. Das Pflegenest ist wie eine kleine Familie mit supernetten Leuten. Die Bewohner durften aufstehen, wann sie wollten. Viele kamen im Morgenmantel zum Frühstück und legten sich danach wieder ins Bett. So um halb zehn standen sie dann auf. Vorher fand überhaupt keine Pflege statt.“
Fünf Krankenpfleger, keine Altenpfleger, arbeiten im Pflegenest im 24-Stunden-Rhythmus, von 8 Uhr am einen Tag bis 8 Uhr am nächsten Tag. Vormittags ist die Leiterin da, kümmert sich um die Organisation, um Arzttermine und Rezepte, fährt die Bewohner zum Arzt, macht ambulante Touren. Das Pflegenest bietet auch Essen auf Rädern für 18 Senioren an. Es ist eine kirchliche Einrichtung, eine staatliche durften die Austausch-Azubis trotz anfänglicher Pläne nicht besuchen. „Ich habe Bilder gesehen, da kriegt man Gänsehaut“, weiß Leonie Kube, „Das ist wirklich ganz, ganz schlimm. Und ich war ja im Sommer da, es war warm. Den Winter ohne Heizung, ohne Strom und ohne fließend Wasser bei minus 25 Grad mag ich mir gar nicht vorstellen! Aber irgendwie schlagen die Rumänen sich durch.“
Leonie Kube ist übrigens Quereinsteigerin in der Altenpflege. Die gelernte Einzelhandelskauffrau war elf Jahre lang mit ihren Kindern zu Hause und schaffte dann den Wiedereinstieg in ihren Beruf nicht. Nach einem Praktikum in der Pflege hat sie die Ausbildung zur Altenpflegehelferin gemacht und die 3jährige Ausbildung zur Altenpflegerin obendrauf gesetzt. Noch ein Jahr, dann ist sie fertig. Mit 41 ist sie eine der Ältesten in der Klasse, es gibt aber auch eine Mitschülerin, die ist 51.
Die 2 Wochen in Rumänien waren „absolut lehrreich“ schwärmt Leonie Kube: „Es hat mir richtig gut gefallen, ich würde da gerne nochmal hinfahren! Es ist ein ärmliches, aber schönes Land mit sehr netten Menschen! Ich habe immer noch Kontakt zu ihnen und werde den auch halten.“
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