Videointerview Heilerziehungspflege hier!
Vincent (23) lernt Heilerziehungspflege an der Evangelischen Fachschule der Diakonie Kork. Mehr als die Mathe-Note zählt in dieser Ausbildung seine Persönlichkeit.
In seinem ersten Ausbildungsjahr hat sich Vincent um Anne gekümmert. Anne ist Mitte 40, geistig behindert und sie braucht einen Rollstuhl. Sie lebt in einer betreuten Wohngruppe. „Wie in jeder WG gab es da manchmal Stress“, grinst Vincent, der in seiner Freizeit eine Fußballmannschaft trainiert. Sein Job ist es, Menschen mit Behinderung im Alltag zu begleiten und ihnen so viel Selbstständigkeit zu ermöglichen, wie es nur geht.
Von sechs Uhr früh bis halb zehn half Vincent den WG-Bewohnern beim Aufstehen und Frühstücken. Als Heilerziehungspfleger hat er ihnen nicht einfach die Milch in den Kaffee gegossen, sondern sie ermutigt, es selbst zu tun. Wenn er Annes körperbehinderte Mitbewohnerin zur Arbeit brachte, sind sie zu Fuß gegangen, obwohl es mit dem Rollstuhl schneller gegangen wäre. „Dabei habe ich gelernt, Geduld zu haben“, erinnert sich Vincent. Und es hat sich gelohnt: „Durchs regelmäßige Laufen ist die Frau viel fitter geworden!“
Der zweite Teil seiner Schicht begann am Nachmittag, wenn die WG-Bewohner von der Arbeit zurückkamen. „Es gehört auch zum Job, mit ihnen einzukaufen und zu kochen“, ergänzt Bertram Tränkle, Leiter der Evangelischen Fachschule für Heilerziehungspflege in Kork. Ein Heilerziehungspfleger lernt darum auch Hauswirtschaft.
Als Anne Brustkrebs bekam, hat Vincent ihr geholfen, damit klarzukommen. Sein Praxisanleiter und die Kollegen haben ihm dabei den Rücken gestärkt. „Annes Familie wohnt weit weg“, erzählt Vincent. Deswegen ist er mit Anne zur Chemotherapie gegangen, hat sie gepflegt und ihr einfach zugehört: „Die Krankheit hat sie körperlich und seelisch sehr belastet. Drei Monate bin ich mit ihr da durch gegangen!“ Immer wenn Anne trotz allem fröhlich Lieder sang, hat sich Vincent richtig glücklich in seinem Beruf gefühlt.
Um die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machen zu können, brauchst du einen mittleren Schulabschluss und ein einjähriges Vorpraktikum. Vincent hat sein Freiwilliges Soziales Jahr als Vorpraktikum anerkannt bekommen. Seine Woche ist in Arbeits- und Schultage aufgeteilt. Im Unterricht lernt er Heilpädagogik, Sozialpädagogik und Pflege, außerdem Musik und Kunst. „In der Schule gibt es wenige allgemeinbildende Fächer, es geht mehr um berufsbezogene Inhalte und Persönlichkeitsbildung“, sagt Schulleiter Bertram Tränkle, „Bei uns können auch junge Leute mit schlechteren Noten in Mathe oder Englisch richtig durchstarten!“
Die Arbeit mit Menschen mit Behinderung erleben seine Schüler als etwas sehr Erfüllendes, auch wenn sie anstrengend sein kann. Denn es entsteht eine enge Beziehung. Vorurteile sind da schnell vom Tisch: Behinderte sind unberechenbar, schreien den ganzen Tag herum oder machen einem Angst? Das ist natürlich Quatsch! Vincent findet: „Sie sollen ein möglichst normales Leben führen, denn da hat jeder ein Recht drauf.“ Als Heilerziehungspfleger hilft er, Berührungsängste abzubauen, damit Menschen mit und ohne Behinderung in unserer Gesellschaft in Zukunft ganz selbstverständlich miteinander leben.
„Heilerziehungspfleger arbeiten in Kliniken, in der Sozialpsychiatrie, in Heimen oder WGs der Behindertenhilfe oder in Kindergärten und Schulen“, erklärt Bertram Tränkle. An seiner Schule in Kork gibt es als Modellprojekt auch die neue Ausbildung „HEP-AP“: In nur dreieinhalb Jahren machst du einen Doppelabschluss als Heilerziehungs- und Altenpfleger. Das macht doppelte Chancen auf dem Arbeitsmarkt! Die klassische Heilerziehungspflege-Ausbildung wird in ganz Deutschland angeboten.
Was Vincent angeht: Der will vor dem Berufsstart erst noch studieren. „Aber ich bleibe auf jeden Fall im sozialen Bereich!“, verspricht er.
© Diakonisches Werk der EKD
Der Name der WG-Bewohnerin Anne wurde geändert.