Leben und sterben, wo ich hingehöre!

Hallo alle zusammen! Vorletzte Woche fand in meiner Ausbildungseinrichtung Diakonisches Bildungsinstitut Johannes Falk in Eisenach ein Fachtag mit dem Thema „Leben und sterben, wo ich hingehöre!“ statt, und davon möchte ich euch in diesem Blogeintrag erzählen: Eingeladen waren Fachkräfte aus der Altenpflege, Behindertenhilfe, Hospizarbeit und Schüler der Alten- und Heilerziehungspflege. Es gab vier Referate: das erste wurde von Professor Dr. Klaus Dörner gehalten und handelte von der oben genannten Überschrift und seinem gleichnamigen Buch-Bestseller „Leben und sterben, wo ich hingehöre.“

Klaus Dörner, Vertreter der deutschen Sozialpsychiatrie, hat die Auffassung, dass ältere Menschen doch besser in ihrem häuslichen Umfeld aufgehoben sind als in Pflegeheimen. Er kritisiert die Abfertigung der Pflegebedürftigen und vergleicht den Aufenthalt in den Heimen mit dem in einem Hotel. Die Menschen brauchen kaum etwas selbst zu tun, sie werden mit Nahrung und Pflegemitteln versorgt, um die Körperhygiene wird sich gekümmert und den Rest des Tages können die Menschen in ihrem Zimmer oder bei verschiedenen Therapieangeboten verbringen.

Würde man Pflegebedürftige in ihrem häuslichen Umfeld lassen („Die Menschen wollen heute dort sterben, wo sie hingehören“, sagt Dörner) oder sie in Wohngruppen mit mehreren Personen (5-8) zusammen leben lassen, hätten sie einen völlig anderen Tagesablauf, bei dem sie selbst etwas beisteuern könnten und sich gegenseitig unterstützen würden. Zudem hätten sie dauerhaft Kontakt zu anderen Menschen mit ggf. anderen Krankheitsbildern und könnten sich gegenseitig ergänzen.

Das Bild der Pflegeheime stammt, sagt Dörner, noch aus der Industrialisierung, also ähnlich der Massenproduktion, bzw. in diesem Fall Massenabfertigung. Zudem meint Dörner, dass uns in den nächsten Jahren eine Art „Pflegekatastrophe“ erwarten wird. Immer mehr ältere Menschen werden auf Pflege angewiesen sein, währenddessen nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen. Wohngruppen zu bilden, in denen ein bis zwei Pflegekräfte und mehrere ehrenamtlich tätige Bürger zuständig sind, könnte dem Abhilfe schaffen. Dieses System hat sich in Deutschland bereits im Raum Bielefeld (unter anderen) bewährt. Außerdem ähnelt es den Behindertenaußenwohngruppen, in denen dieses System seit längerem beinahe problemfrei funktioniert. Ich denke aber, dass in vielen Städten oder Regionen kaum die Kapazität für solche vielen Wohngruppen, wie es dann geben müsste, verfügbar ist.

Die Leiterin vom Diako Pflegedienst, Irina Kost, und der Prokurist der Diako Seniorenhilfe, Karsten Stüber, setzten sich in ihrem Referat mit den „Möglichkeiten und Grenzen der ambulanten Pflege“ auseinander. Sie beteuern, dass die Pflege heute auch im familiären Umfeld möglich ist und auch bereits praktiziert wird.  Zwar gibt es in diesem Bereich eben auch Grenzen, die nicht überschritten werden können und dürfen. Aber das Personal ist schon jetzt entsprechend qualifiziert und fortgebildet, um in diesem Bereich der Pflege eingesetzt zu werden. Mit den Krankenkassen ist bereits ein Zusatzvertrag betreffend der „spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ abgeschlossen worden.

Gunter Göbel beleuchtete in seinem Referat die „Familiären Netzwerke und bürgerschaftliches Engagement vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Ostdeutschland“. Er zeigte auf, dass die demografische Entwicklung im Osten nicht nur die Gesellschaft zahlenmäßig, sondern auch das Zusammenleben verändert. Die Geburtenrate im Osten sinkt und junge Ausgebildete ziehen in die alten Bundesländer, da sie dort bessere Berufschancen erwarten. Göbel erwartet einen Rückgang der Bevölkerung bis 2025 um 10% in den neuen Bundesländern. Seine Schlussfolgerung lautete: „Mehr professionelle Pflege, weniger Sicherheit in der Finanzierung und höhere Sozialausgaben der Kommunen“.

Das letzte Referat wurde von Philosoph und Soziologe Tilo Schiffmann gehalten, in dem es um die Frage „Ist familiäre Pflege überhaupt möglich?“ ging. Er vertritt die Meinung, dass die Pflegequote sinken wird, da immer mehr ältere Menschen länger Erwerbstätig bleiben. Dieser Prozess hat seiner Auffassung nach bereits begonnen. Es gibt zwar mehr alte Menschen, also mehr Pflegebedürftige, aber prozentual mehr Erwerbstätige als Pflegebedürftige. Zudem richtete Schiffmann das Augenmerk auf die gestiegene Internetnutzung durch Senioren. Ihnen bleiben mit Hilfe des Internets beschwerliche Wege, z.B. zur Bank (Internetbanking) oder in die Apotheke (Bestellung über Internet), erspart; sie wären so selbstständiger. Meiner Meinung nach sollte dabei aber beachtet werden, dass die Menschen dadurch mehr isoliert leben und ihre Mobilität darunter leidet.

Zum Schluss wurden alle eingeladen, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, bei der Fragen gestellt und Meinungen geäußert wurden. Alles in allem fand ich den Fachtag sehr aufschlussreich und ich hoffe, dass ihr Freude am lesen von diesem Eintrag habt! Bis zum nächsten Mal, Jule