Altenpflegeschülerin Bettina (26) kam durch Zufall an ihre Praxisstelle: Das „Haus Christa“ ist die erste Einrichtung im Oldenburger Land, die sich auf die Betreuung älterer Menschen mit psychischen Erkrankungen spezialisiert hat. Und Bettina möchte nicht mehr tauschen.
Die Entscheidung für eine Ausbildung hat bei Bettina etwas gedauert. Sie hat in einer Fabrik gearbeitet, ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht und eine Sozialpflegeschule besucht, bevor ihr Freunde rieten, Altenpflege zu lernen. In der Ev. Altenpflegeschule Oldenburg hat Bettina schließlich einen Ausbildungsplatz gefunden. Als die Zusage für die Praxisstelle kam, war die 26jährige erst mal skeptisch, schließlich hatte sie noch nie mit Menschen mit psychischen Erkrankungen zu tun gehabt!
„Aber schon nach einer Woche hat sich das gelegt, hier ist alles total normal!“, erzählt Bettina, „Die Bewohner leben ja nicht alle die ganze Zeit im Wahn.“ Ihr gefällt, dass es im „Haus Christa“ weniger um die Pflege geht als darum, den Bewohnern zu helfen, so selbstständig wie möglich zu leben. Bettina hilft ihnen beim Aufstehen, Waschen und Frühstücken, hat aber dabei andere Dinge zu beachten als eine Fachkraft in einem „normalen“ Altenheim. „Wenn jemand im Wahn ist und Menschen sieht, die da nicht sind, muss ich wissen, wie man am besten auf ihn eingeht. Und wenn ich mal nicht weiter weiß, steht mir eine Fachkraft zur Seite und wie wir lösen die Situation gemeinsam mit dem Bewohner.“
Und noch viel mehr ist anders. Im „Haus Christa“ wohnen Menschen mit Schizophrenie, Minderbegabung, Korsakow Syndrom (Gedächtnisstörung), Depressionen und vielen anderen Krankheiten. Das bedeutet manchmal mehr Stress als im „normalen“ Altenheim, Spontaneität ist gefordert. „Wenn jemand akut auffällt, kann ich dem nicht sagen: ‚Ich komme in fünf Minuten wieder.‘ Der braucht mich dann sofort!“, weiß Bettina. „Den einen muss ich motivieren, weil er keine Lust hat aufzustehen, bei der nächsten muss ich durch viel Reden dafür sorgen, dass sie weniger angespannt ist.“ Genau darum gibt es aber auch mehr Pflegekräfte für die 80 Bewohner der drei Stationen. Die Bewohner sind übrigens durchschnittlich jünger als in einem „normalen“ Altenheim – die auf der Station „Eingliederungshilfe“ gehen sogar noch arbeiten.
Aber nicht nur die Bewohner sind anders, sondern auch die Mitarbeiter im Heim müssen noch ganz andere Fähigkeiten mitbringen als Mitarbeiter in einem „normalen“ Altenheim: „Man muss hier auch mal Kontra geben: Also wenn mich ein Bewohner anschreit, schreie ich auch mal zurück, um ihm sein eigenes Verhalten zu spiegeln“, erklärt Bettina. „Eine 17jährige, die überhaupt noch nicht weiß, was sie im Leben will, kann den Job einfach nicht machen!“ Man muss eine starke Persönlichkeit sein. Wenn die 26jährige mit den Heimbewohnern auf den Wochenmarkt oder zum Arzt geht, macht unterwegs manchmal jemand einen blöden Spruch. Dann erwidert sie: „Du, das könnte auch deine Mutter sein!“ Prompt sind die Leute still. Außerdem musste Bettina auch lernen abzuschalten. Sie geht nach der Arbeit ins Fitnessstudio um Dampf abzulassen.
Ein halbes Jahr Ausbildung hat sie noch vor sich. Für danach sucht sie eine Möglichkeit, sich zur Fachkraft für Psychiatrie weiterbilden zu lassen. Auch ein Schnuppereinsatz in einem Heim für Menschen mit körperlichen Behinderungen würde Bettina interessieren und Fortbildungen zu einzelnen Krankheiten, die ihr noch mehr Hintergrundwissen vermitteln. Denn sie weiß jetzt: „Mir liegt die Arbeit hier, ich möchte nicht mehr tauschen. Ein Bürojob wäre mir zu langweilig. Ich mag es nicht, wenn jeder Tag gleich ist.“
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