Dass Omid aus einer iranischen Familie kommt, hilft ihm beim ehrenamtlichen Einsatz im Stadtteilcafé: „Die Besucher haben direkt großes Vertrauen zu mir, bei den ausländischen kann es gut an meiner Herkunft liegen“, sagt der 16jährige. Logopädin Tugce, deren Eltern aus der Türkei kommen, möchte nach der Ausbildung eine Praxis für zweisprachige Kinder aufmachen. Erzieher Deniz erfährt von manchen Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders deshalb Respekt, weil er seine eigenen Erfahrungen in einer binationalen Familie weitergeben kann.
In den Sozial- und Pflegeberufen ist das Zusammentreffen verschiedener Kulturen so selbstverständlich wie das Zusammentreffen verschiedener Schuhgrößen. Manche Nachwuchskräfte mit ausländischen Wurzeln fühlen sich besonders gut in ihrem Beruf aufgehoben, wenn sie zum Beispiel einem Patienten, der aus demselben Kulturkreis kommt, mit einem Morgengruß in seiner Muttersprache eine Freude machen können – in deutschen Pflegeheimen werden immer mehr alt gewordene Migranten aus Griechenland, Polen oder der Türkei betreut. Andere möchten ihre Herkunft eigentlich gar nicht zum Thema machen und sagen: Meine Berufswahl hat damit überhaupt nichts zu tun.
Jedenfalls sind Jugendliche mit Migrationshintergrund aus denselben Gründen wie Jugendliche mit deutschen Wurzeln eingeladen, sich als Auszubildende oder Nachwuchskräfte zu bewerben: weil die Sozial- und Gesundheitswirtschaft eine Zukunftsbranche ist. Wegen des demografischen Wandels gibt es einen großen Fachkräftemangel und viele freie Arbeitsplätze. Bei der Bewerbung tauchen jedoch immer wieder bestimmte Fragen zum Beispiel zu Sprachkenntnissen und Religionszugehörigkeit auf.
Wie bei Halis (20) zum Beispiel. Er ist Altenpflege-Azubi im Stephansstift Hannover. Die Frühschicht um viertel nach sechs beginnt er am liebsten mit einem flotten Spruch auf den Lippen. „Ich bin immer gut drauf“, sagt er. „Also eher der lustige Typ.“ Halis‘ Familie kommt aus der Türkei, geboren ist er in Deutschland. Nach dem Realschulabschluss hat er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem integrativen Kindergarten gemacht. Beim Vorstellungsgespräch im Stephansstift war auch sein Glaube ein Thema. „Meine Familie gehört zur Religionsgruppe der Aleviten“, erzählt Halis, „und die gehört zum Islam. Aber so richtig streng ist das bei uns nicht, eher locker.“
Das Stephansstift, Halis‘ Ausbildungsstätte, ist eine diakonische Einrichtung. Hier sind das Christentum und die Nächstenliebe die Grundlage der Arbeit und für die Mitarbeiter wird die Taufe vorausgesetzt. „Ich hab‘ das ja gewusst, als ich mich beworben habe“, sagt Halis. Er hat sich taufen lassen. „Für mich war das gar kein Problem und aus meiner Familie oder von meinen Freunden fand das auch keiner schlimm. Ich sehe viele Parallelen in den beiden Religionen.“
Ist die Taufe denn Voraussetzung für jeden Ausbildungsplatz in allen diakonischen beziehungsweise evangelischen Einrichtungen? „Nicht grundsätzlich“, sagt Wiebke Rockhoff von der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Referentin für Grundsicherung und Arbeitsmarktpolitik kennt sich mit der Integration von Auszubildenden mit Migrationshintergrund aus. „Es gibt innerhalb der Diakonie keine einheitliche Praxis oder einen Standard, der unumstößlich ist und immer gilt.“ Diakonie-Präsident Ulrich Lilie spricht sich deutlich für die Einstellung von nicht-christlichen Mitarbeitern in diakonischen Einrichtungen aus. Aber überall sind christliche Werte die Grundlage der Arbeit. Wer sich um eine Lehrstelle in einer diakonischen Ausbildungsstätte bewirbt, sollte sie kennen und respektieren.
Wenn die Taufe Pflicht ist, steht es auf jeden Fall in der Stellenanzeige. Wenn nicht, rät Expertin Rockhoff zur gezielten Nachfrage: „Es kommt auf die Ausrichtung des Trägers an. Einige Ausbildungsbetriebe suchen auch gezielt junge Menschen mit Migrationshintergrund und legen ihnen wegen ihrer Konfession keine Steine in den Weg.“ Manche nehmen zwar Auszubildende, die nicht evangelisch sind, sind aber bei Führungspositionen wie der Stationsleitung strenger. Wenn die Taufe vorausgesetzt wird, geschieht das jedenfalls nicht, um Andersgläubige zu ärgern, sondern weil die Einrichtung ein stark ausgeprägtes christliches Profil hat. In Evangelischen Hochschulen läuft die Bewerbung um einen Studienplatz völlig unabhängig von der Konfession.
Daniela (30) war schon (katholisch) getauft, als sie ihre Altenpflege-Ausbildung begann. Sie arbeitet eine Etage über Halis, wurde in Polen geboren und ist seit zwölf Jahren in Deutschland. „Ich wollte studieren, aber es haperte an der Sprache“, sagt sie, mittlerweile nur noch mit leichtem Akzent. Daniela hat darum zuerst Arzthelferin gelernt: „Doch mein Nebenjob als Aushilfe im Stephansstift hat mich mehr ausgefüllt!“ In vier Monaten macht sie nun ihren Abschluss als examinierte Altenpflegerin.
Auf ihrer Station hat sie gut ein Dutzend Kollegen. Etwa ein Drittel haben ausländische Wurzeln. „Sie stammen aus Russland, der Ukraine oder dem Irak“, sagt Daniela. Teamarbeit ist angesagt. „Wir müssen viel schreiben und dokumentieren. Wenn jemand Probleme mit Formulierungen hat, helfen wir uns gegenseitig.“ Und Daniela nennt noch einen weiteren Pluspunkt: „Wir haben einige Bewohner, die russisch oder polnisch als Muttersprache haben. Sie strahlen, wenn sie mit uns diese Sprache sprechen können.“
Kein Wunder, manche (nicht alle!) Senioren sprechen, obwohl sie viele Jahre in Deutschland gelebt haben, wenig Deutsch. Sie freuen sich über Pflegekräfte, die aus demselben Land kommen wie sie und die Feste, die Essensgewohnheiten, die Lieder aus der Heimat kennen. Und die sich bei der Einrichtungsleitung dafür einsetzen, dass ein Gebetsraum für Muslime eingerichtet oder Essen ohne Schweinefleisch auf den Speiseplan genommen wird. Denn „kultursensible Pflege“ ist ein ganz neues Konzept – es gibt noch viel zu lernen!
Berufsberatung für Jugendliche mit Migrationshintergrund von Expertin Wiebke Rockhoff gibt’s hier.