„Denken und danken sind verwandte Wörter; wir danken dem Leben, indem wir es bedenken.“ (Thomas Mann) Jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens eine Menge Gedanken zu verarbeiten. Wir denken über unsere Mitmenschen, gewisse Erfahrungen und Erlebnisse nach, über Entscheidungen, die es zu treffen gilt, und über Erfolge sowie Fehler. Über philosophische Fragen wird nachgedacht, über Alltägliches und Belangloses, Fantasien werden gesponnen oder aber es geht um Lebenswichtiges. Natürlich grübeln wir auch über das Leben selbst und den dazugehörigen Tod. Unsere Gedanken können wir mit Worten versprachlichen und mit Buchstaben auf Papier festhalten, sodass auch andere Menschen daran teilhaben können. Die Literatur eröffnet uns den Zugang zu den Gedanken und Fantasien vieler verschiedener Menschen zu den unterschiedlichsten Themen und Bezügen und kann sowohl interessant als auch hilfreich für unsere eigenen sein.
Hallo ihr Lieben, in der vergangenen Woche war ich auf dem vierten Bildungsseminar meines Freiwilligen Sozialen Jahres. Dieses unterschied sich von den vorherigen, denn wir konnten es aus einem Block verschiedener Angebote auswählen. Ich entschied mich für das Seminar „Zauberberg“ in Hude. Im Ersten Moment könnte man denken, es handelt sich hierbei thematisch um Magie, Zirkus oder Wandern auf einen Berg, doch das ist weit verfehlt. 🙂 Benannt ist das Seminar nach einem bekannten Roman von Thomas Mann, der sich mit den Themen Krankheit und Tod befasst. Neben diesem, haben wir uns noch mit einigen anderen Werken, auch philosophischen, auseinandergesetzt. Alle behandelten zu einem gewissen Grad Krankheit oder Tod. Als ich das Seminar wählte, war mir nicht bewusst, dass dieser Bezug im Mittelpunkt steht, und ich hätte mich dann wahrscheinlich auch nicht dafür entschieden. Ich habe nie gerne darüber gesprochen, doch im Nachhinein bin ich froh, an diesem Wahlpflichtseminar teilgenommen zu haben.
Insgesamt analysierten wir sechs Bücher. Die einzelnen Werke wurden auf Kleingruppen aufgeteilt, dann vorgestellt und in der Runde besprochen. Die Diskussionen waren immer sehr interessant, da jedes Buch neue Denkanstöße auslöste und viel Gesprächsbedarf ergab. Verschiedenste Ansichten und Bezüge konnten zum Thema Tod und Endlichkeit hergestellt werden. Meine Gruppe beschäftigte sich mit Ernst Tugendhats philosophischem Werk „Über den Tod“. Der Autor setzt sich darin mit der Frage auseinander, warum der Mensch Angst vorm Tod habe, wenn er doch dann sowieso nichts mehr fühle. Er untersucht diese Fragestellung auch anhand zweier anderer Philosophen, beschäftigt sich mit Begriffen wie Todesnähe und Todesferne, nennt Beispiele, die ihn zu seinen Gedanken anregten, und kommt im Endeffekt auf Lösungsansätze. Er stellt die These auf, dass der Mensch seinem Leben einen Sinn geben und nicht sterben wolle, bevor dies nicht erreicht sei, das Leben also nicht mehr „leer“ schiene. Er spricht auch von dem Willen zum Selbsterhalt, der unausweichlich für unsere Lebensfähigkeit sei. Auch darüber haben wir in der Runde sehr viel gesprochen, denn wie auch Tugendhat erwähnt, ist das Thema Tod immer in einem sehr subjektiven Reflektionsrahmen zu betrachten.
Neben den vielen anregenden Gesprächen gab es am Mittwoch noch ein Highlight. Mittags beschäftigten wir uns mit dem Werk „Buddenbrooks“ von Thomas Mann und abends sahen wir eine Inszenierung dieses Romans im Theater in Bremen. Die Vorstellung war super, da sie sehr mitreißend und explosiv war! 🙂
Das Seminar hat mir einiges gebracht. Neben einer angenehmen Woche in einer wirklich schönen Unterkunft, auch zwei deutliche Erkenntnisse. Zum einen hat es mir gezeigt, wie toll es doch ist, sich mit verschiedenster Literatur auseinanderzusetzen, und dass wir daraus auch häufig sehr viel mitnehmen können. Ich möchte mir wieder sehr viel mehr Zeit zum Lesen nehmen, gerade auch für Klassiker der Literaturgeschichte. Bisher ist das, neben dem Vollzeitjob, zu kurz gekommen.
Zum anderen ist mir klar geworden wie wichtig es doch ist, das Leben und den damit zusammenhängenden Tod bewusst zu bedenken. Vor allem die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit unseres Daseins scheint mir sehr wichtig zu sein, da man der Thematik sowohl im privaten Umfeld als auch beruflich jederzeit schnell und unerwartet begegnen kann und dann damit umgehen können muss. Ein Beispiel hierfür erzählte eine Seminarteilnehmerin, die ebenfalls ein FSJ in einer Kindertagesstätte macht. Dort ist eine Mutter an Krebs erkrankt und wird innerhalb der nächsten Wochen daran sterben. Nun sind die Erzieher gezwungen, mit der Situation entsprechend umzugehen. Man kann das Thema Tod und Endlichkeit also eigentlich gar nicht verdrängen und sollte dies auch nicht versuchen, denn auch wenn die Gedanken darüber unangenehm sind, so sind sie doch Bestandteil unseres Lebens und enorm wichtig um mit Situationen, wie in dem genannten Beispiel, umgehen zu können.
Beim Verarbeiten solcher Erlebnisse und generell Themen, die uns beschäftigen und bewegen, hilft häufig das Schreiben. Sei es in literarischer Form, als Einträge in ein Tagebuch oder in Form eines Blogs, wie viele auf dieser Webseite und im Internet generell zu finden sind. Das trifft sicherlich nicht für jeden zu, aber mir hilft es beispielsweise sehr meine Erlebnisse hier zu verarbeiten und es bringt mich weiter. Auch über unangenehme Erfahrungen, wie meiner zwischenzeitlichen Krise, kann ich reflektieren. Das hat mich zunächst eine Menge Überwindung gekostet, doch es hat sich für meine Entwicklung gelohnt und war notwendig. So wie die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit unseres Lebens ebenfalls, in welcher Form auch immer, die muss jeder für sich selbst wählen.
Dennoch sollten wir uns von der Tatsache, dass wir einmal nicht mehr existieren werden, nicht runterziehen lassen, denn wir leben im Hier und Jetzt und sollten das Beste draus machen. Jeder Tag könnte der letzte sein und sollte, gerade weil uns das bewusst ist, genossen werden! Liebste Grüße, Michelle! 🙂
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