Wenn die Buchstaben durcheinandergeraten, hilft der Legasthenietherapeut (13.12.13)

5 bis 10 Prozent aller Schüler haben eine Lese-Rechtschreibschwäche  oder sogar Legasthenie. Das heißt, sie haben Schwierigkeiten, die gesprochene Sprache in geschriebene Wörter umzusetzen. Dann hilft der Legasthenietherapeut. Diesen sozialen Beruf könnt ihr, wenn ihr fertige Logopäden seid oder zum Beispiel Pädagogik oder Psychologie studiert habt, an knapp 20 Einrichtungen bundesweit lernen, ab April 2014 auch im Legastheniezentrum der Chistophorusschule in Oberurff bei Kassel. Wir haben für euch mit Magnus von Kortzfleisch, dem Leiter des Legastheniezentrums, darüber gesprochen.

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Magnus von Kortzfleisch, Leiter des Legastheniezentrums in Oberurff, mit Annette Uhlén, Ansprechpartnerin für Interessenten an dem Beruf des Legasthenietherapeuten

Was ist denn der Unterschied zwischen Lese-Rechtschreib-Schwäche und Legasthenie?

Die Grenzen sind wie bei vielen Krankheiten fließend. Lese-Rechtschreibschwäche bedeutet: Ein Kind hat eine verzögerte Entwicklung beim Lesen und Schreiben, zum Beispiel wegen traumatischen Erlebnissen, die zu einer Blockade geführt haben. Legasthenie ist eine neurologische Störung im Gehirn, die meist vererbbar ist und von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Kann man das behandeln?

Die Lese-Rechtschreibschwäche ist eindeutig leichter behandelbar, In einigen Fällen können die Kinder das Schreiben und Lesen vollständig lernen. Dazu muss ein Legasthenietherapeut, der die sprachwissenschaftlichen Entwicklungsschritte beim Sprachelernen kennt, mit speziellen Tests herausfinden, in welchem Stadium es eine Blockade gegeben hat. Danach wählt er dann seinen Behandlungsansatz aus. Er trainiert mit dem Kind das Hören oder lautgetreues Schreiben. Die pädagogische Arbeit mit Legasthenikern ist die gleiche, hat aber weniger ehrgeizige Ziele. Denn beim Legastheniker wissen wir: Er erreicht wahrscheinlich nie das gleiche Level wie nicht-betroffene Gleichaltrige.

Und dann geht es den betroffenen Kindern besser?

Der Leidensdruck bei den betroffenen Kindern ist sehr stark. Die Aufgabe des Legasthenietherapeuten ist es darum auch, sie psychisch zu stärken und ihnen zu helfen, mit ihrem Manko umzugehen. In unserer Schule, zu der eine Realschule, ein Gymnasium, ein Internat und das Legastheniezentrum gehören, arbeiten wir intensiv mit den Möglichkeiten des Nachteilausgleichs und des Notenschutzes. Das heißt, die Rechtschreibung wird nicht benotet. Das hilft den Kindern schon sehr.

Was passiert, wenn man die betroffenen Kinder nicht besonders fördert?

Früher verschwanden Kinder, die schlecht schreiben konnten, häufig in Sonderschulen. Die Sensibilität für das Thema entwickelte sich erst in den siebziger Jahren, mittlerweile bringen viele Lehrer mehr Verständnis dafür auf. Aber auch heute funktioniert Schule stark übers Schreiben und Lesen, das Berufsleben später auch, daher sind die Ansprüche der Eltern gestiegen. Wenn die Kinder nicht speziell gefördert, sondern unter Druck gesetzt werden, kann man sie schwer schädigen.

Wenn mich dieses Arbeitsfeld interessiert, wie werde ich denn in Ihrer Einrichtung Legasthenietherapeut?

Die 2,5jährige berufsbegleitende Ausbildung besteht aus zwei Teilen: 12 Wochenendblöcke mit Theorie- und Praxisteilen und ein reiner Praxisteil. Um Legasthenietherapeut zu werden, braucht man in der Regel ein abgeschlossenes Studium im Bereich Pädagogik oder Psychologie. Aber auch Logopäden und bestimmte andere Akademiker können die Ausbildung machen. Sie kostet übrigens leider Geld. Aber während der praktischen Phase ist es möglich, dass die Legasthenietherapie, die man durchführt, um Praxiserfahrung zu sammeln, durch die Eltern der kleinen Patienten bezahlen wird.

Wo kann ich als fertiger Legasthenietherapeut arbeiten?

Im Moment arbeiten Legasthenietherapeuten wie Lerntherapeuten meist in selbstständigen Praxen. Aber auch Lehrer lassen sich vermehrt als Zusatzqualifikation zum Legasthenietherapeuten ausbilden. Der Bundesverband Legasthenie strebt ein eigenes Berufsbild des Legasthenietherapeuten an. Falls das umgesetzt werden kann, ergeben sich sehr weitläufige Arbeitsfelder. Wir würden gern möglichst vielen Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, die beim Lesen und Schreiben Probleme haben, das nötige Handwerkszeug vermitteln. Denn in unserer Gesellschaftsform ist Schreiben schon sehr wichtig, aber lesen unumgänglich. Durch die Informationsgesellschaft müssen wir heute in der Lage sein, aus einem Dreizeiler, den eine Suchmaschine anzeigt, zu erkennen, ob die Information dahinter wichtig sein könnte.

Vielen Dank, Magnus von Kortzfleisch!

Wer jetzt Interesse an dem Beruf des Legasthenietherapeuten hat, bekommt hier weitere Infos: http://bvl-legasthenie.de/ oder http://www.lvl-hessen.de/ und kann sich hier bewerben: www.cjd-oberurff.de oder akademie@christophorusschule-oberurff.de. Ansprechpartnerin ist Annette Uhlén.