Von Gefängnissen und Parks: Projektarbeit in der Erzieher-Ausbildung (24.1.14)

laura 6Hallo liebe Community,  habe ich euch schon mal von dem geheimnisvollen Schulfach „Vertiefung“ erzählt? An der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Alten Eichen wird diesem Thema besonders viel Raum gegeben, denn seit diesem Semester haben wir tatsächlich jede Woche den Donnerstag zur freien Verfügung, um in unseren Projektgruppen, die sich zu Anfang nach Interessengebieten gefunden haben, an unseren Vertiefungsprojekten zu arbeiten. An einzelnen Terminen treffen wir uns als gesamte Klasse mit Lehrerinnen in der Schule und besprechen Ergebnisse.

Meine Gruppe ist wirklich toll, wir sind zu sechst, drei Jungs und drei Mädchen. Die Idee der Vertiefung ist es, einen selbst gewählten Ort selbstständig zu erforschen und am Ende in einem Klassenprojekt zu präsentieren. Wir mussten bereits ein Portfolio zu einem ersten Projekt direkt am Ort einreichen und wurden bewertet. Der Gedanke dahinter sei zu Einen, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und die Bedeutung von verschiedenen Orten, sowie die Emotionen, die dieser Ort in uns auslöst, kennenzulernen, sowie Raum zu haben für selbstorganisiertes Lernen und Planen im Rahmen der Ausbildung, da dies für die spätere Arbeit als ErzieherIn sehr wichtig sei.

So weit, so gut. Jedoch herrscht bei den meisten von uns, spätestens seitdem die ersten Noten hier mehrheitlich eher enttäuschend aussahen und für die große Mühe unverhältnismäßig erscheinen, Ratlosigkeit. Heute habe ich aber ein schönes Erlebnis im Rahmen der Vertiefungsarbeit gehabt. Unsere Gruppe hat sich als Ort ein Hamburger Untersuchungsgefängnis, sowie im Kontrast dazu, eine sich direkt daneben befindende Parkanlage ausgesucht. Uns interessiert der krasse Gegensatz, von Menschen in Haft, die aus ihren Fenstern lustwandelnde Menschen im Park anschauen müssen. Heute haben wir uns hierzu bei einem Gruppenmitglied zuhause getroffen und hatten einen sehr interessanten Austausch über Bedingungen in deutschen Gefängnissen mithilfe von den zahlreichen Informationen, die wir zusammentragen konnten.

Zunächst sprachen wir über allgemeine Haftbedingungen, wie zum Beispiel Essen und Geld oder Kleidung, zum Ende führten wir einen spannenden Dialog über die Rolle der Gesellschaft und den Sinn von Gefängnissen. Wie hilfreich ist beispielweise eine langjährige Haftstrafe für einen Sexualstraftäter, der bis zum Ende nicht zu seiner Tat steht und sich somit auch nicht damit auseinandersetzt und nach Absitzen seiner Strafe wieder raus geht in eine meiner Meinung nach sexistische Gesellschaft? Wir müssen darüber nachdenken, dass Gefängnisse ursprünglich einmal geschaffen wurden, um Menschen wie Landstreicher wieder zu einem normalen Leben zu erziehen, und heute versucht diese Institution dies, wenn man so will, immer noch.

Ebenso bezeichnend ist, dass der überwiegende Teil der Insassen aufgrund von Kapitaldelikten einsitzt, also zum Beispiel auch nach mehreren Mahnungen sein Schwarzfahren nicht bezahlt hat, weil er es beispielsweise nicht konnte und nun diese Summe absitzen muss. Wird er wiederholt beim Schwarzfahren erwischt, wird die Strafe schon höher und am Ende kann es sein, dass er eine Bewährungszeit auferlegt bekommt, während dieser erwischt wird und dann für richtig lange Zeit ins Gefängnis muss. Doch wie hilft eine Haftstrafe einem Menschen, der nicht genug Geld hat, um zu überleben?  Dies liegt an einer kapitalistisch geprägten Gesellschaftsstruktur. Entschuldigt so viel politische Kritik, aber diese Anstöße haben mich beeindruckt und zum Nachdenken gebracht und so hat die Vertiefung am Ende doch etwas in mir angeregt und bewegt. Macht es gut, Laura.