Eigentlich will er Medizin studieren und Kinderarzt werden. Doch um die Wartezeit auf einen der wenigen Studienplätze für ausländische Studierende zu überbrücken, nimmt Shadi Kedah an einer Qualifizierungsmaßnahme für Geflüchtete des Diakonie Pflege-Verbunds Berlin teil. Durch einen Aushang in Berlin-Kreuzberg war er auf die Möglichkeit aufmerksam geworden. Wir haben für euch mit ihm gesprochen:
Shadi, wann bist du nach Deutschland gekommen und was hast du vorher gemacht?
Ich bin im Oktober 2014 hergekommen. Vorher habe ich Abitur gemacht und drei Semester Zahnmedizin studiert. Über meine Reise nach Deutschland möchte ich lieber nichts erzählen.
Wie war der Start in Deutschland für dich?
Ich habe erstmal alle Kontakte zu anderen Syrern abgebrochen, denn ich wollte mich darauf konzentrieren, Deutsch zu lernen. Es ist eine sehr schwere Sprache, aber sie ist der Schlüssel zur Integration. Darum habe ich Deutschkurse besucht, bin in Gesprächsgruppen gegangen und habe mir deutsche Freunde gesucht.
Und wie läuft deine Qualifizierungsmaßnahme zum Pflegehelfer bei der Diakonie?
Wir haben vier Tage in der Woche theoretischen Unterricht und immer mittwochs fahre ich auf den Touren der ambulanten Pflege mit. Das geht dann um sechs oder sieben Uhr morgens los, wir besuchen die Menschen zu Hause. Ich mache das Frühstück, zweimal durfte ich auch schon einen Patienten waschen. Es gefällt mir sehr gut, dass ich das, was ich in der Theorie lerne, auch gleich anwenden kann!
Aber auch der Theorie-Unterricht ist nicht langweilig. Wir waren im Supermarkt und die Ausbilderin hat uns erklärt, worauf man beim Einkaufen achten muss und dass man in Deutschland einen Einkaufszettel schreibt. In Syrien macht man sowas nicht! Wir haben an einer Pflegepuppe das Waschen geübt und uns gegenseitig die Zähne geputzt, um uns besser in die Patienten hineinversetzen zu können. Wir haben gelernt, dass man den Satz: „Wie kann ich helfen?“ auf zwölf verschiedene Weisen betonen kann: ängstlich, vorwurfsvoll, freundlich.
Gibt es auch etwas, was dir nicht gefällt?
Die anderen Kursteilnehmer können nicht so gut Deutsch wie ich. Dadurch kommen wir sehr langsam voran, einige haben den Kurs abgebrochen. Von anfangs 23 Teilnehmern sind wir noch 14. Wir kommen aus vielen verschiedenen Ländern, z.B. Kosovo, Irak, Albanien, Kamerun. Ich bin Moslem und arbeite jetzt in einer evangelischen Einrichtung. Das ist aber kein Problem für mich.
Wie ist der Kontakt zu den Deutschen?
In Syrien sagt man, dass die Europäer sehr verschlossen seien, aber so grundsätzlich stimmt das nicht. Ich habe viele Ehrenamtliche kennengelernt, die sehr nett zu mir sind. Genauso wie die älteren Damen, die wir versorgen. Sie sagen: „Na, junger Mann, wie geht es Ihnen? Nehmen Sie sich ein Stück Kuchen aus dem Kühlschrank!“ Sogar im Bus hat mich neulich eine Seniorin angesprochen und wir haben über Politik gesprochen.
Aber in Deutschland ist es schwieriger, Kontakt zu jungen Menschen zu bekommen als in Syrien. Dort sind wir offener. Wenn jemand mit zwei Koffern über die Straße läuft, gehen wir hin und bieten unsere Hilfe an. Hier reagieren sie manchmal komisch. Im Deutschkurs habe ich den Begriff „Berliner Schnauze“ dafür gelernt. Was ich aber gut finde ist, dass man in Deutschland sehr direkt sagt, was man denkt. Wenn einem das Essen nicht schmeckt oder wenn ich einen Fehler bei der Pflege mache. In Syrien wäre das unhöflich. Aber hier weiß man, woran man ist – auch durch die vielen Regeln. Bevor ich die Wohnung eines Patienten betrete, muss ich Überzieher über die Schuhe ziehen.
Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Ich habe gerade eine eigene Wohnung in Berlin-Marzahn gefunden. Alle sagen, es wäre dort nicht schön, aber mir gefällt es. Es ist grün und die Menschen sind nett. Deutschland ist meine Heimat geworden. Ich möchte gerne eine Familie gründen. Ich war schon auf dem Weihnachtsmarkt und im Club, um eine Frau kennenzulernen. Aber ich kann leider nicht so gut tanzen.
Wenn ich im Juni mit dem Kurs bei der Diakonie fertig bin und meine Noten gut sind, bekomme ich dort sofort eine Arbeit als Pflegehelfer. Sollte ich noch länger auf den Studienplatz warten müssen, suche ich mir einen Ausbildungsplatz als Altenpfleger. Aber irgendwann möchte ich Kinderarzt sein, denn Kinder sehen die Welt anders. Neulich wurde im Fernsehen ein Kind gefragt: „Habt ihr auch ausländische Kinder im Kindergarten?“ Da antwortete das Kind: „Wir haben Kinder im Kindergarten.“ Kinder sehen die Unterschiede nicht – das gefällt mir.
Vielen Dank und viel Glück, Shadi!
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