Best Practice Nachwuchsgewinnung: Diakonischer Träger Mariaberg fragt nach den Wünschen und dem Wohlbefinden junger Menschen

Mariaberg LogoAusbildungsbotschafter, Auslandspraktika und Social Media – der Mariaberg e.V. lässt sich einiges einfallen, um den Nachwuchs für sich zu gewinnen. Und der diakonische Träger der Jugend- und Behindertenhilfe auf der Schwäbischen Alb ist erfolgreich mit seinem umfassenden neuen Konzept! Michael Backhaus, Ausbildungsleiter und Personalentwickler in Mariaberg, freut sich, dass im Oktober 2014 bereits die ersten Verträge für den Ausbildungsjahrgang 2015 unterschrieben sind.

Wann habt ihr angefangen, neue Wege der Nachwuchsgewinnung zu gehen?

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Michael Backhaus, Ausbildungsleiter und Personalentwickler beim Mariaberg e.V. (Bild-Quelle: http://www.schlichtung-rt.de/images/team_mbackhaus.png)

Backhaus: Das war etwa 2010, verschiedene Studien über die demografische Entwicklung kamen heraus und wir haben geahnt, bei uns auf dem Land wird uns das Problem noch stärker treffen. Wir müssen nicht nur Nachwuchsgewinnung machen, wir müssen unsere Ausbildung qualitativ besser aufstellen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und zukünftig genügend Fachkräfte zu bekommen. Es ging um neue Ausbildungsstandards, die enge Begleitung unserer Auszubildenden, es ging darum, Strukturen zu hinterfragen, zu überlegen: Was brauchen junge Menschen heute, um sich wohlzufühlen? Beantwortet haben wir diese Frage mit Bauchgefühl, aber auch mit Jugendstudien, durch Vernetzung mit anderen modernen Arbeitgebern, durch den Besuch von Fortbildungen und Vorträgen über die Generationen Y und Z und die intensive Auseinandersetzung mit den Social Media.

Eine Mammutaufgabe! Womit habt ihr angefangen?

Wir haben uns als erstes unsere Heilerziehungspflege-Ausbildung angesehen. Unsere HEP-Azubis verbrachten damals die gesamten drei Jahre in derselben Praxisstelle. Heute haben wir ein breit gefächertes Ausbildungsfeld für sie organisiert, sie wechseln die Praxisstellen und lernen alle wichtigen Einsatzbereiche kennen. Wir brauchen flexible Fachkräfte, also müssen sie die Flexibilität in der Ausbildung lernen!

Mariaberg MessestandWas wurde sonst noch geändert?

Auf Ausbildungsmessen waren wir vorher schon, aber diakonietypisch mit schwarz-weißen Bildern, die die Bedürftigkeit der Klienten thematisierten. Wir haben unseren Messeauftritt komplett neu gestaltet: ein buntes Logo, das deutlich vom Corporate Design abweicht, eine Kampagne, die Spaß und Zusammengehörigkeitsgefühl thematisiert, die nicht den Klienten, sondern den Auszubildenden in den Fokus rückt. „Junge Menschen in Mariaberg“ ist jetzt unser Claim. Beim Vorstand stieß das durchaus auf Skepsis. Doch in intensiven Diskussionen haben wir aufgezeigt, was junge Menschen brauchen, was andere Anbieter besonders aus der freien Wirtschaft in Sachen Nachwuchsgewinnung machen, und den Vorstand überzeugt. Seit er unser Konzept mitträgt, läuft es gut.

Mariaberg FacebookWas macht ihr im Internet bzw. in den Social Media?

Wir veröffentlichen Stellenanzeigen bei stepstone.de und monster.de. Wir beobachten die Kommentare im Arbeitgeberbewertungsportal kununu über unsere Einrichtung und antworten Kritikern: „Vielen Dank für die Rückmeldung, wir kümmern uns drum! Wir gucken, was da passiert ist! Tut uns leid, dass das vorgekommen ist!“ Was auf gar keinen Fall geht, dass man schreibt: „Das stimmt ja gar nicht, was Sie da sagen.“

Wir haben eine Facebookseite, die unter Mitwirkung unserer 10 Ausbildungsbotschafter betrieben wird, also Auszubildende, die sich bereiterklärt haben, bei der Nachwuchsgewinnung mitzumachen. Die sind auch auf Messen mit dabei und in der Facebook-Redaktionsgruppe unserer Öffentlichkeitsarbeit. Es sind immer 4-5 Azubis aus einem Jahrgang, und sie können auch ein paar Jahre nach der Ausbildung noch Botschafter bleiben. Wenn jemand ausscheidet, suchen wir jemand neues. Der macht dann eine dreitägige Qualifizierung für Ausbildungsbotschafter der Diakonie Württemberg mit: lernt zu präsentieren, zu moderieren, wie trete ich auf, wie ist meine Außenwirkung, mit welchen Fragen kann ein Messebesucher oder Facebookfan kommen, welche Hintergrundinfos über soziale Berufe muss ich da kennen? Anfangs sind die Botschafter eher skeptisch, am Ende begeistert, weil es einfach mal was ganz anderes ist, auf Messen und in Schulen zu gehen, Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Sie bekommen ein Zertifikat, dass sie Ausbildungsbotschafter waren.

Unser nächster Schritt in Sachen Social Media wird Xing sein, allerdings geht es da nicht um Azubis, sondern um Fach- und Leitungskräfte. Junge Menschen sind nicht bei Xing.

Außerdem hätte ich gerne einen Blog, in dem Azubis den Lesern einen Blick über die Schulter ins Unternehmen ermöglichen. Da sind wir mit dem Arbeitskreis Social Media gerade dran. Wir beschäftigen uns mit den Themen Datenschutz und Social Media Richtlinien.

Es gibt noch eine Besonderheit für den Nachwuchs in eurer Einrichtung: Auslandspraktika!

Genau. Irgendwann hörte ich vom Leonardo da Vinci Mobilitätsprogramm der EU, mit dem Azubis großer Wirtschaftsunternehmen ins Ausland gingen. Da habe ich mich gefragt: Warum machen wir sowas im sozialen Bereich nicht? Zuerst ging es gar nicht darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, sondern darum, den europäischen Gedanken mit in unsere Arbeit zu bringen. Doch auf den Messen habe ich gemerkt, die Jugendlichen fahren auf unser neues Angebot ab!

Ich beantrage pro Jahr 20 Auslandspraktikumsplätze und bekomme ein Budget für die Organisation, für Reisekosten und Unterkunft. Unsere Azubis gehen für drei Wochen nach Bozen, Wien, Linz, Manchester und Sibiu in Rumänien. Sie arbeiten in Einrichtungen vor Ort, absolvieren aber auch ein Kulturprogramm. Manche sind zurückhaltend und haben Angst zu gehen, aber sie kommen umso selbstbewusster zurück! Andere sind so in der alltäglichen Arbeit eingespannt, dass es dem Team schwerfällt, sie gehen zu lassen. Trotzdem ermöglichen wir ihnen das.

Und ist das Auslandspraktikum wirklich sinnvoll, bringt das den Azubis und den Partnereinrichtungen wirklich was?

Klar! Eine Azubine aus unserer Kinder- und Jugendpsychiatrie war in Südtirol zum Praktikum. Währenddessen wurde ein Klient mit autistischen Verhaltensweisen aufgenommen und die Leute vor Ort wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Unsere Azubine kannte sich aus der Jugendpsychiatrie mit Autisten aus, hat die Strukturen für den Klienten mitentwickelt und war bei der Eingewöhnung dabei. Beide Seiten haben profitiert! Wir als Einrichtung profitieren auch sehr stark von den neuen Erfahrungen, die unsere Auszubildenden aus dem Ausland mitbringen.

Welchen Tipp hast du für Einrichtungen, die wie ihr solche neuen Wege gehen wollen?

Einfach mal anfangen! Learning by doing! Man bekommt viele neue Impulse für die eigene Arbeit. Und es macht Spaß, so eng mit dem Nachwuchs zu arbeiten. Man braucht natürlich einen Mitarbeiter dafür, das geht nicht nebenbei. Aber es ist eine Investition, die sich sehr schnell lohnt.

Welche Unterschiede gibt es zwischen der Sozialarbeit in Deutschland und den USA, speziell New York?

Circle LineDas haben wir die Teilnehmer der Studienreise „Sozialarbeit in New York City 2014“ der Paritätischen Akademie am Ende der Reise gefragt. Herausgekommen ist eine bunte Collage an Eindrücken, die sich auf den Charakter der Sozialarbeiter genauso beziehen wie auf Unterschiede in der Herangehensweise im Arbeitsalltag:

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Sozialarbeiterin Shamari (20) aus New York: Ich möchte die Ansprechpartnerin sein, die ich in meiner Kindheit nie hatte

Shamira, Studentin Children and Youth Studies, Brooklyn College

Shamari, Studentin Children and Youth Studies, Brooklyn College

Shamari (20) aus New York hat ihren ersten Studienabschluss in „Human Services“, also Sozialwesen, am Guttmann Community College gemacht und studiert inzwischen „Children and Youth Studies“ („Kinder- und Jugendkunde“) am Brooklyn College. Damit kann sie später alles Mögliche machen: zum Beispiel Child Life Specialist („Kindheitsexperte“) oder Berufsberater werden. Auf jeden Fall möchte sie mit Jugendlichen im Alter kurz vor dem Erwachsenwerden arbeiten. Wie es dazu kam, erzählt sie im Interview:

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Foto-Galerie: alle unsere Interviewpartner und einige Eindrücke aus New York

Soziale Arbeit in New York studieren: Wie geht das?

Ob Jura oder Geisteswissenschaften – die meisten Studis im Master of Social Work an der Columbia University haben einen Bachelorabschluss in einem ganz anderen Fach. Oft haben sie überhaupt keine Erfahrung in der Sozialarbeit und fangen im Masterstudium bei Adam und Eva an. Wer dagegen einen Bachelor of Social Work mitbringt – den gibt’s zum Beispiel an der New York University – kann den Master an der Columbia verkürzen. Das gilt übrigens auch für Studierende aus dem Ausland – also euch!

Und das sind unsere Interviewpartner:

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