Alten- und Krankenpflege-Azubis aus dem Osnabrücker Land führen ein selbst erdachtes Theaterstück mit dem Titel „Pflege(l)haft“ auf. Meistens vor Schülern, denn die sollen mit den superlustigen Szenen für eine Ausbildung in der Pflege begeistert werden: Der junge Mann im weißen Kittel steht auf der Bühne und lässt den Kopf hängen. Er sieht müde und antriebslos aus. Seine Arbeit hat ihn mürbe gemacht. Er überlegt, seinen Job hinzuschmeißen. Da tauchen ein Engel im Goldumhang und ein gehörnter Teufel auf – sie beeinflussen ihn, zerren an seinem Gewissen. Die jugendlichen Zuschauer schauen gespannt auf die Szene. Sie wissen, dass der Kittelmann in der Pflege arbeitet. Er kümmert sich um alte Menschen, füttert und wäscht sie. Im Hintergrund sieht man eine gebrechliche Frau auf einem Toilettenstuhl sitzen. Nur ein durchsichtiger Vorhang schützt ihre Intimsphäre. Plötzlich wird eine dramatische Helden-Hymne eingespielt. Der Pfleger eilt der Frau zu Hilfe, reißt sich den Kittel auf und zeigt das knallrote Superman-Shirt, das er drunter trägt! Der „Pflege-Held“ schneidet eine Grimasse, die Zuschauer johlen – die Szene aus dem Theaterstück „Pflege(l)haft“ war mal wieder ein voller Erfolg.
Krankenpflegeschüler und Hobbyschauspieler Eric (22) liebt seinen Auftritt als Pflege-Superman. Jedes Mal, wenn er sich vor der Aufführung den Kittel über sein Helden-Shirt zieht, freut er sich schon auf die Reaktion der Zuschauer. „Die gehen richtig mit. Das ist ein echter Lacher und ein Höhepunkt des Stücks!“, sagt er. Zusammen mit neun anderen Azubis spielt Eric im Theaterstück „Pflege(l)haft“ mit. Die vier jungen Männer und sechs jungen Frauen aus sechs verschiedenen Pflegeeinrichtungen im Raum Osnabrück haben es in zahllosen Proben und Improvisationen erarbeitet. Sie kommen aus dem Ameos-Klinikum Osnabrück, dem Diakonieklinikum Osnabrücker Land, der Akademie des Klinikums Osnabrück, dem Berufsbildungswerk Osnabrücker Land, der Berufsfachschule Altenpflege des Diakoniewerks und dem Christlichen Krankenhaus Quakenbrück.
Die 70minütige Aufführung wird von einer aktiven Pause aufgelockert: „Das Publikum soll sich an unseren Infoständen über Pflegeberufe informieren und mit uns Darstellern ins Gespräch kommen“, erklärt Eric. Dann wird es hektisch auf der Bühne. Szenenwechsel. Auf dem Boden liegt ein Mann namens Michel. Der ehemalige Holzfäller wird mithilfe eines Defibrillators ins Leben zurückgeholt. Aus Freude, dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein, tanzen die Darsteller zum Gassenhauer „Lebt denn der alte Holzmichl noch“ eine Polonaise durch den Saal. Marco (25) ist auch dabei. Er genießt es, mit den anderen immer wieder lautstark das „Jaaaaa, er lebt noch!“ zu rufen. „Die Mischung aus ernsten Szenen und ganz viel Situationskomik und Witz machen unser Theaterstück attraktiv“, sagt der junge Mann, der in derselben Einrichtung wie Eric eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger macht. „Ich bin stolz, ein Teil dieses Projekts zu sein.“
Diplom-Pflegepädagogin Martina Kampe vom Ameos-Klinikum Osnabrück hatte die Idee, junge Menschen von anderen jungen Menschen mit einem Theaterstück für die Pflege begeistern zu lassen. Unterstützt durch einen Theaterfachmann hat sie die Proben und Aufführungen organisiert, die Dialoge aufgeschrieben, Kostüme entworfen und Requisiten besorgt. „Es geht nicht speziell um Kranken-, Alten- oder Heilerziehungspflege. Das Stück ist ein Schmelztiegel aus allem“, sagt Martina Kampe. Themen wie Tod, Sterben, Ekel, Scham und Demenz kommen vor und werden als gespielte Erlebnisse auf die Bühne gebracht. Wenn sich der Vorhang hebt, werden die Laiendarsteller zwischen 18 und 25 Jahren aber vor allem zu Humoristen. „Wir brauchen den Spaß in der Pflege“, beschreibt Martina Kampe die Idee. „Es ist nicht immer alles ernst, auch wenn der Beruf und das Arbeitsumfeld viel Konzentration, Engagement und Ernsthaftigkeit verlangen.“
Inzwischen haben mehr als tausend Zuschauer das Stück „Pflege(l)haft“ gesehen, darunter viele Schüler. Schulen und Einrichtungen im Osnabrücker Land können die jungen Schauspieler zu weiteren Vorstellungen einladen. „Ich kann mir durchaus vorstellen, weitere Auftritte mit dem Ensemble zu machen“, sagt die Pädagogin, „Denn was die Azubis auf die Beine gestellt haben, ist bis dato einmalig in Deutschland.“ Ausbildungseinrichtungen aus anderen Regionen, die das Stück mit ihren eigenen Pflegeschülern einstudieren und aufführen möchten, finden hier das Script.
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