Tränenmeer im Kloster Nütschau

Hallo liebe Community! Dieser Eintrag kommt direkt aus dem Kloster Nütschau, wo wir seit Montag unser „Sterbeseminar“ absolvieren. Gerade stehe (!) ich in einer kleinen Kabine, in der ein Bildschirm und eine Tastatur in die Wand eingelassen sind… so sieht das „Online-Sein“ im Kloster aus 🙂 Nun möchte ich euch aber von unserem gestrigen Tag erzählen, der mich wohl noch einige Zeit beschäftigen wird.

Gegen 10 Uhr trudelten wir alle mit  unseren Fahrgemeinschaften im Kloster ein und begannen auch direkt mit dem Seminar. Hierfür ist uns ein großer Gruppenraum zur Verfügung gestellt, wo wir alle in einem großen Kreis sitzen können. In der Mitte steht eine Kerze und eine Vase mit Ästen, die wir direkt mit „Blättern“ versehen haben. Dafür sollte jeder, jeweils auf ein anderes Blatt, einen Gedanken zum Tod, sowie zum Leben aufschreiben. Mir fiel dabei spontan ein… Leben: „Jeden Tag bewusst leben, ohne dabei immer an das Ende zu denken“, Sterben: „Rückblick auf ein erfülltes Leben und eventuell Beginn eines neuen?“… denkt mal darüber nach, was ihr davon haltet 😉 Spannend war es auf jedenfall, als wir diese Gedankensammlung zusammentrugen.

Danach folgten eine Buchvorstellung, sowie meine Filmvorstellung von „Das Meer in mir“… sogleich kam der Gedanke auf, diesen Film nochmal im Ganzen zu schauen, was wir eventuell heute Abend in Angriff nehmen wollen.
Nach einem leckeren Mittagessen und einer kleinen Kaffeepause am Nachmittag (mit genauso leckerem Kuchen 🙂 ), schauten wir den Film „Marias letzte Reise“. Gegen Ende konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten, da die krebskranke Maria zunehmend an Kraft verliert, bis hin zu ihrem Tod. Die Nachbesprechung brachte viele interessante Aspekte des Filmes nocheinmal genauer hervor, vor allem die Rolle der Krankenschwester, die Maria bis zu ihrem Tod sogar in den eigenen vier Wänden betreut.

Doch das für mich bedeutendste Erlebnis kam erst nach dem Abendessen. Es folgte noch eine kurze Buchvorstellung und danach das sogenannnte „Blitzlicht“, was als Ritual zum Abschluss, sowie zum Beginn eines Tages abgehalten werden sollte. Hierfür bekam jeder von uns ein kleines Glas mit einem brennenden Teelicht in die Hand. Draußen war es bereits sehr dunkel, wir waren alle erschöpft von dem sehr langen Tag, doch gleichzeitig natürlich auch nachdenklich gestimmt durch die vielen neuen Denkanstöße. So saßen wir also in der Runde und es herrschte zunächst, ironisch gesagt, Totenstille. Jeder sollte nun einen Gedanken zum heutigen Tag loswerden und damit sein Teelicht in die Mitte zu den Ästen stellen.

Zu Beginn waren alle noch sehr zögerlich. Was sollte man jetzt nur sagen? Einige standen auf und äußerten Ängste wie „Tod der Eltern, Freunde….“ Plötzlich konnte eine Kurskollegin ihre Trauer nicht mehr unterdrücken. Sie versuchte ihr Schluchzen zu unterdrücken, doch konnte sich nicht mehr zurückhalten, als nun auch eine andere Person beim Aussprechen der Angst vor dem Tod ihres Hundes anfing zu weinen. Es herrschte ein bedrücktes Schweigen im Raum.

Niemals hätte ich gedacht, dass wir einmal voreinander weinen würden! Immer mehr Personen stellten ihre Kerzen in die Mitte, doch gleichzeitig wurde die Welle der Trauer, die über uns alle hereinbrach, immer stärker. Auch in mir spielte sich eine emotionale Achterbahn der Gefühle ab. Plötzlich ging eine meiner Dozentinnen in die Mitte und brach beim Aussprechen ihres Gedankens in Tränen aus. Nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Meinen Tränen flossen hemmungslos über meine Wangen. Welche Energie sich in diesem Moment doch im Raum befand! Es war unglaublich. Mindestens 20 Minuten saßen wir alle wie elektrisiert… nur die unterdrückten Schluchzer einiger Personen waren zu hören. Eine Kurskollegin musste sogar den Raum verlassen.

Ein wahnsinniges Erlebnis, das ich nie vergessen werde! Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich einer Gruppe von Menschen so öffnen könnte! Am Abend war es dann wichtig, dass wir eine gewisse Distanz zu der ganzen Trauer aufbauten. Wir besuchten die Abendmesse der Mönche in der benachbarten Kapelle, was ein besonders eindrucksvoller Abschluss eines ganz besonderen Tages war.  Auch der heutige Tag war bisher sehr erkenntnisreich. Jetzt muss ich aber ein Ende finden, denn gleich ist die Mittagspause vorbei und wir starten gemeinsam in den Nachmittag. Liebe Grüße aus dem Kloster 🙂 Svenja