Organspende ja oder nein?

Hallo liebe Community, seit einigen Tagen geht mir das Thema: „Organspende – Ja oder Nein?“ einfach nicht mehr aus dem Kopf. Vorweg gesagt: Ich bin immer noch dafür, auch nachdem wir das Thema bei einem Themenschwerpunkt in unserer Ausbildung noch einmal kritisch hinterfragt haben.

Grund dazu war letzte Woche der Unterricht eines Dozenten, der uns über einige Dinge im großen Kreislauf von Hirntod bis Organentnahme aufgeklärt hat. Der Hirntod ist die vorausgesetzte Diagnose, um überhaupt als Organspender in Frage zu kommen. Hierbei gibt es beim Patienten keine Hirnaktivitäten mehr und er wird auch nie wieder aufwachen, aber das Herz-Kreislauf-System kann durch eine Maschine künstlich am Leben erhalten werden. Zur  Person des Dozenten selbst lässt sich sagen, dass er viele Jahre als Krankenpfleger auf einer Intensivstation gearbeitet hat, wo er viele hirntote Patienten pflegen musste. Danach studierte er Psychologie und machte sein Diplom über „Die psychische Belastung von Pflegepersonal bei der Pflege Hirntoter“.

Nun ist das Thema Organspende emotional sehr aufgeladen. Es gibt viele extreme Meinungen und viele Fakten, die mancher Medizin-Laie gar nicht bis ins Letzte verstehen kann. Und das macht es so schwer, sich wirklich eine fundierte Meinung zu dem Thema zu bilden. Selbst wir Krankenpflegeschüler haben jetzt noch mal viele auch für uns neue Aspekte des Themas kennengelernt.  Wir hatten auch bereits Unterricht zu diesem Thema bei einem Mitarbeiter der Deutschen Organisation für Organspende, der sich natürlich vollkommen für die Organspende aussprach und uns die wichtigsten Aspekte und die Pro-Argumente lehrte: rund 12 000 sehr kranke Menschen in Deutschland warten derzeit dringend auf ein Spenderorgan, ein Mensch kann mit seinen Organen gleich mehreren Menschen das Leben retten, und so weiter. Als aber nun der zweite Dozent in unseren Unterricht kam (der Psychologe, der sich auf die Pflege Hirntoter spezialisiert hatte), lenkte er unser Augenmerk auf die kritischen Aspekte.

Nun saßen wir da im Unterricht, 21 Krankenpflegeschüler, von denen die meisten pro-Medizin denken und daher auch die Organspende vollkommen unterstützen, und werden plötzlich in vielerlei Hinsicht vor neue Erkenntnisse gestellt. Im Allgemeinen fiel es etwas schwer, den Dozenten wirklich vollständig ernst zu nehmen, da er doch eine Art „Die-ganze-Welt-hat-sich-gegen-uns-verschworen“ Aura ausstrahlte. Er stand vorne an der Tafel und wirkte fast wie ein Prediger. Ein Prediger für eine bessere Welt und gegen die ganzen „bösen“ Ärzte.

Trotz fragwürdiger Ausstrahlung waren aber doch einige seiner Inhalte durchaus bedenkenswert. Denn viele Menschen, die über Organspende nachdenken, fragen sich ja: Wie kann ich wirklich sicher sein, dass die Ärzte mir die Organe erst entnehmen, wenn ich wirklich tot bin? Der Dozent zeigte uns einen kurzen Film, in dem hirntoten Menschen ein Schmerzreiz (z.B. fester Kniff in den Oberarm) zugefügt wurde. Man konnte deutlich sehen, dass sie durchaus noch Reaktionen auf diese äußeren Einflüsse zeigten. Einer der gefilmten Patienten zog sogar seinen Arm in Richtung der Stelle, wo ein Schmerzreiz gesetzt wurde. Für den Psychologen stand permanent die Frage im Vordergrund: „Wann ist ein Mensch tot? Sind solche Menschen für euch tot, die so gezielt noch auf Schmerzreize reagieren?“

Ein weiterer Punkt war, dass vielen Hirntoten im OP bei der Organentnahme noch Schmerzmittel gegeben werden. Aus biologischer Sicht dürften vollständig hirntote Patienten keinen Schmerz beim Aufschneiden des Bauchraumes mehr empfinden. Wieso also trotzdem starke Schmerzmedikamente? Ein Arzt gab im OP wohl einmal folgende Erklärung ab: „Ich will auf Nummer sicher gehen. Das ist zur Beruhigung meines Gewissens“.

Das waren zwei wirklich sehr eindrucksvolle Unterrichtsstunden, doch steht für mich weiterhin fest, dass ich meine Organe vollständig, falls ich einmal hirntot sein sollte, entnommen haben möchte. Ich persönlich denke, dass ein hirntoter Patient durchaus als „tot“ bezeichnet werden kann, denn er wird nie mehr aufwachen (was der Dozent auch selbst nachdrücklich zugegeben hat). Wieso sollen Angehörige noch jahrelang um einen Menschen trauern, der nur durch Maschinen künstlich am Leben erhalten wird, aber dessen Gehirn nie mehr so funktionieren kann, als dass er aufstehen und sprechen wird? Man sollte das „Leben“ nicht künstlich um Jahre verlängern, wenn dies niemals mehr zu einem besseren Ende führen wird. Das ist gegen die Natur. Gegen den Kreislauf von Leben und Sterben. Man muss irgendwann loslassen und Abschied nehmen können. Wie schön ist es, wenn man trotz Trauer und Verlust noch vielen anderen Menschen ein längeres, besseres Leben schenken kann, indem man ihnen ein neues Herz oder eine neue Lunge gibt?

In meiner Familie gibt es auch jemanden, der bisher vergeblich auf eine neue Niere wartet, weshalb ich vielleicht zusätzlich sehr „Pro-Organspende“ bin. Ich habe meinen Organspendeausweis jedenfalls nach dem Unterricht diese Woche nicht zerrissen, denn meine Meinung ist in dieser Hinsicht doch sehr gefestigt. Vielleicht konnte ich euch einen kleinen Denkanstoß in diese Richtung geben. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr einige, gerne kritische Meinungen zu diesem Thema hier im Blog äußern würdet. Meine Meinung ist durchaus anfechtbar, doch genau das macht ja das Leben aus: die Vielfalt der einzelnen Individuen…. und ihr Kommen und Gehen. Liebe Grüße, Svenja