Schon mit 16 wusste Lena ganz genau, was sie später machen will: Heilpädagogin werden und mit geistig beeinträchtigten Menschen arbeiten. Heute ist sie 23 und ihr Studium der Heilpädagogik geht langsam zu Ende. Warum für Lena kein anderer Beruf in Frage kommt und was sie an der Arbeit mit geistig behinderten Menschen fasziniert, hat sie unserer Praktikantin Laura im Interview erklärt:
Warum hast du dich für das Studienfach Heilpädagogik entschieden und nicht zum Beispiel für die Soziale Arbeit?
Ich hätte Soziale Arbeit studiert, wenn ich den Studienplatz in der Heilpädagogik nicht bekommen hätte. Aber Soziale Arbeit ist ein breites Feld und ich wusste vorher schon, ich möchte mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch das Heilpädagogikstudium ist breit gefächert. Aber es ist dann in dem Bereich doch ein wenig spezifischer.
Wie kam es, dass du dich schon mit 16 entschlossen hast, in die Heilpädagogik zu gehen?
Ich habe während der Sommerferien ein Praktikum in einer Behinderteneinrichtung gemacht und dann überlegt, ob ich eine Ausbildung in dem Bereich machen sollte. Ich habe mich weiter informiert und mich dann für ein Studium entschieden. Was auch ganz lustig war: Ich habe mal einen unabhängigen Berufswahltest gemacht, wo man ganz viele Fragen beantworten musste und da kam Heilpädagogik an erster Stelle raus. Ich habe mich dann darüber informiert, was das überhaupt ist. Vorher hatte ich mir überlegt, vielleicht Sonderpädagogik zu studieren, aber dann habe ich mich für die Heilpädagogik entschieden.
Wie ist die Arbeit mit Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen?
Menschen mit so genannten geistigen Behinderungen sind wesentlich ehrlicher. Die haben nicht diese sozial-gesellschaftlich diktierten Masken wie wir. Wenn du gefragt wirst: „Wie geht’s dir?“, antwortest du in 90 Prozent der Fälle: „Mir geht’s gut“, obwohl es dir möglicherweise nicht gut geht. Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen antworten ehrlich.
Um ein Studium der Heilpädagogik zu beginnen, muss man schon Erfahrung in diesem Bereich mitbringen. Was hast du vor dem Studium gemacht?
Ich habe einen Freiwilligendienst in Brasilien gemacht und da mit Kindern aus extrem armen Familienverhältnissen gearbeitet. Nachhilfe einerseits, andererseits habe ich auch mit den Kindern gespielt, gebastelt und musiziert. Das waren oft Kinder mit erheblichen Lernschwierigkeiten. Einen Tag pro Woche habe ich in einem Projekt für schwermehrfachbehinderte Menschen im Pflegebereich geholfen und mit den fitteren Kindern gespielt.
Bei welcher Situation hast du schon mal gesagt, genau deshalb studiere ich Heilpädagogik?
Ich arbeite immer mal wieder mit einem kleinen Jungen, der mit knapp vier Jahren nicht spricht, eine Windel tragen muss und etwa im Entwicklungsstadium eines Kleinkindes ist. Dieser Junge hat aber eine unheimliche Intelligenz: Er spricht zwar nicht, aber er summt und lautiert. Als ich zum Beispiel einmal mit ihm am See war, fand er es toll, thematisch passende Lieder zu summen. Er sah eine Ente auf dem See und hat angefangen „Alle meine Entchen“ zu summen. Ich hab‘ dann mit ihm zusammen gesungen, das hat ihm gefallen. Als es Abend wurde, hat er „Ich geh‘ mit meiner Laterne“ gesummt. Es erstaunt mich, wie viel eigentlich in Kindern steckt, von denen man sagt, dass sie nicht sprechen können und wahrscheinlich niemals viel lernen können.
Was sollte man unbedingt mitbringen, wenn man in der Heilpädagogik arbeiten will?
Man sollte keine Berührungsängste haben, auch bei Menschen, die mehr Pflege brauchen. Ansonsten ist die Heilpädagogik derzeit besonders vom Inklusionsgedanken geprägt. Den sollte man wenigstens stückweise vertreten können. Und man muss natürlich mit Menschen arbeiten können und wollen. Außerdem muss man in vielen Bereichen mit Menschen arbeiten, die nicht verbal kommunizieren können.
Ist das eine besondere Herausforderung?
Das ist definitiv schwer. Es gibt eine Menge Hilfsmittel, Bildkarten und Sprachcomputer. Aber es gibt schwer behinderte Menschen, die auch damit nicht arbeiten können. Man kann trotzdem lernen, sie zu verstehen, aber da gehört eine gewisse Geduld und Einfühlungsvermögen dazu und auch der Wille das zu tun und sie nicht einfach nur zu bevormunden.
Heilpädagogik kann nicht jeder, weil…
… das Studium anspruchsvoll ist. Und danach bin ich Heilpädagogin und kann überall und nirgendwo arbeiten. Viele Träger kennen das Fach Heilpädagogik noch nicht und arbeiten seit Jahren mit Sozialarbeitern. Als ausgebildeter Heilerziehungspfleger ist es einfacher, eine Stelle zu finden. Als Heilpädagoge muss man entweder vorher schon genau wissen, was man nach dem Studium machen möchte oder die Fähigkeit haben, sich darauf einzulassen, dass es viele Möglichkeiten gibt.
Vielen Dank, Lena! Mehr Infos und einen Film zum Beruf Heilpädagoge/-in findet ihr hier.
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