Lene (27) hat einen Umweg in den sozialen Bereich genommen, aber jetzt ist sie fast am Ziel: Sie schreibt ihre Abschlussarbeit in der Heilerziehungspflege-Ausbildung über musikpädagogische Angebote zur Entwicklung der Emotionalität. Obwohl, Ziel kann man eigentlich nicht sagen, eher Zwischenziel. Denn mit dem Abschluss in der Tasche soll es gleich mit einer Weiterbildung weitergehen…
Lene, erzähl uns doch mal von deinem etwas holperigen Start!
Nach dem Realschulabschluss habe ich zuerst eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin angefangen. Da war mir dann aber das Schulgeld zu teuer und ich musste abbrechen. Inzwischen war ich 17 und wollte nicht nichts machen, aber was ich wollte, wusste ich auch nicht so recht. Mehr aus der Not heraus als aus Interesse habe ich die Ausbildung zur Bürokauffrau angefangen und auch abgeschlossen. Doch in meinem Jahrgang gab es allein in Berlin 5000 Prüflinge! Mit meinen mittelmäßigen Zeugnisnoten (Durchschnitt 3,0) hatte ich keine Chance, eine Stelle zu finden. Also bin ich als ungelernte Kraft in die häusliche Krankenpflege eingestiegen.
Dein erster Kontakt zu den sozialen Berufen…
Ja genau, ich wurde zwei, drei Wochen angelernt und den Patienten vorgestellt und dann war ich alleine unterwegs, habe gepflegt, gewaschen, gelagert, Essen zubereitet, alles.
Das ist genau der Moment, in dem viele Neulinge im sozialen Bereich den Praxisschock kriegen und sich schnellstens nach einem anderen Job umsehen…
Ich nicht! Ja, die Arbeitsbedingungen waren schlecht, ich hatte Dauerspätdienst von 11 bis 23 Uhr. Aber ich habe so viele verschiedene Menschen kennengelernt, die zum Teil sogar noch den Krieg miterlebt hatten! Das war schön, ihre Lebensgeschichten zu hören, da hat sich richtig ein Draht zu ihnen entwickelt. Also mir hat das super gefallen!
Mein schönstes Erlebnis hatte ich mit einer Seniorin, die hatte die Glasknochen-Krankheit und saß im Rollstuhl auf dem Balkon. Sie musste aufs Klo und fragte mich, ob ich ihr beim Laufen helfen könnte. Und tatsächlich, zusammen schafften wir den ganzen weiten Weg quer durch die Wohnung bis zum Bad. Sie zitterte und hatte tierisch Angst, aber sie hat mir vertraut, dass sie es mit mir schaffen würde. Und das war ein tolles Gefühl!
Und deshalb bist du im sozialen Bereich geblieben?
Nein, dann wurde ich schwanger und wurde gefeuert. Bis zum Mutterschutz arbeitete ich im Callcenter. Das war nicht gut. Ich dachte: Du willst nicht dein Leben lang für 800 Euro im Callcenter arbeiten. Aus der Elternzeit heraus habe ich mich für eine Ausbildung als Altenpflegerin oder Heilerziehungspflegerin beworben. Meine Schwester ist Erzieherin und hat gesagt: Mach das doch auch. Aber ich dachte: Nein, ich habe ein eigenes gesundes Kind. Gesunde Kinder kann man natürlich auch fördern, aber mich interessierten die speziellen Förderangebote für behinderte Kinder viel mehr. Darum entschied ich mich für die Heilerziehungspflege.
Wieder ein Moment, in dem du gegen den Strom geschwommen bist! Die meisten Leute denken, ein sozialer Beruf mit Schichtdienst und eigene Kinder – das geht nicht zusammen…
Ich habe einen starken Familienrückhalt. Meine Mutter hilft mir viel und auch auf meinen Freund ist Verlass. Er arbeitet in einem Familienbetrieb und kann mit seiner Chefin klären, dass er ab und an mal früher weg muss, um unser Kind abzuholen. Aber ich habe das auch alles gut durchgeplant. Die Heilerziehungspflege hat ja den Vorteil, dass man nicht unbedingt im Schichtdienst im Wohnheim arbeiten muss. Man kann auch in einer Kita oder einer Werkstatt arbeiten, da wird man nur tagsüber eingesetzt. Und genau das ist mein Plan. Dazu werde ich gleich nach der Ausbildung mit der Weiterbildung zum integrativen Erzieher weitermachen.
Viele Umsteiger wollen möglichst schnell anfangen zu arbeiten und haben keine Geduld, nochmal eine zweite Ausbildung zu machen…
Das finde ich schwachsinnig, ich habe die Arbeit als ungelernte Kraft ja selbst erlebt. Man verzichtet auf viel Wissen, das man in einer 3jährigen Ausbildung bekommt. Die Heilerziehungspflege-Ausbildung ist qualitativ sehr hochwertig, nicht umsonst braucht man dafür ein Abi oder eine abgeschlossene Berufsausbildung als Voraussetzung. Mein Tipp für Quereinsteiger, die beim zweiten Mal den richtigen Beruf erwischen wollen, ist es, in verschiedenen Einrichtungen möglichst mehrere Wochen zu hospitieren – ein Tag reicht da nicht. Die Arbeit mit Menschen mit Behinderung ist anstrengend und es ist viel Empathie nötig!
Vielen Dank, Lene, und viel Erfolg mit deiner Abschlussarbeit!
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