An die Geschichte mit dem Storch glaubt schon lange keiner mehr

„Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.“ (Eugène Ionesco) Und deswegen ist es auch so wichtig, schon in jungen Jahren verschiedenste Erfahrungen zu sammeln. In der Phase des Heranwachsens und des Orientierens ist es für die spätere Persönlichkeitsfestigung sehr von Bedeutung, sich mit seinem Körper, sich selbst und dem Leben auseinander zu setzen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Entstehung des Lebens, von der Zeugung bis zur Geburt. Im Rahmen unseres Ich-bin-Ich-Projektes liegen also Aufklärungsbücher in unseren Gruppen und darüber hinaus besuchten wir mit den Kindern, die nächstes Jahr eingeschult werden, am Mittwoch den Kreißsaal des Frederikenstiftes in Hannover.

Hallo ihr Lieben, dreizehn Schulkinder sind es dieses Jahr in der integrativen Kindertagesstätte Elfriede Westphal in Misburg, die gesondert auf ihren neuen Lebensabschnitt im nächsten Jahr vorbereitet werden. Neben den laufenden Projekten für alle Kinder finden ein paar Sonderaktionen statt, wie beispielsweise die Besichtigung des Kreißsaals diese Woche. Viele der Fünfjährigen wissen schon einiges über die Schwangerschaft, die Geburt und die ersten Lebenswochen der Babies, und zwar durch ihre Geschwisterkinder oder schwangeren Mamas. Auch wenn im Krankenhaus auf der Geburtenstation mehrere Störche symbolisch positioniert sind, glaubt an diese Geschichte schon lange keiner mehr! Allerdings war es etwas ganz Neues, die Räume von innen zu sehen und sich wirklich ein Bild von der Situation einer Geburt machen zu können – sogar für mich, obwohl ich ja schon um einiges älter bin. Auch ich hatte ganz andere Vorstellungen, war interessiert und überrascht.

Direkt zu Beginn, nach der Begrüßung von der Hebamme die uns rumführte, fand zufällig das absolute Highlight des Tages statt, auf das die Kinder schon zuvor sehnlichst gehofft hatten –  Neugeborene sehen! Die frisch gebackenen Großeltern eines gerade mal vier Stunden alten Babies begleiteten die Hebamme in den Raum, in dem die Babies gewaschen und untersucht werden. Wir standen zufällig gerade in der Tür und unsere Schulkinder durften ganz nah an die Kleinen ran und gucken. Auch wenn es unseren Kindergartenkindern sonst dauerhaft schwer zu fallen scheint, sich etwas leise, einfach nur anzuschauen, so herrschte plötzlich absolute Stille und das Staunen war ihnen ins Gesicht geschrieben. Dieses neu entstandene Leben ist eben etwas ganz Besonderes und Bezauberndes, das eine unbeschreibliche Atmosphäre in unserer Gruppe ausgelöst hat.

Weiterhin schauten wir uns Kreißsäle an, besonders in Erinnerung blieb der für Wassergeburten. Das Krankenhaus hat eine spezielle Wanne, die sich die Kinder ganz nah angucken durften, nebenbei konnten Fragen gestellt werden. „Warum heißt es eigentlich Kreißsaal?“ war eine davon, die schon am Tag zuvor auftauchte, die wir Erwachsenen allerdings gar nicht beantworten konnten. Einer der Schulkinder nahm seinen Mut zusammen, fragte und erhielt auch die Antwort dazu von der Hebamme. „Dieser Name kommt aus dem Altdeutschen und ist von kreischen, also schreien abgeleitet, hat also nichts mit einem Kreis oder so zu tun.“ Die Kinder verstanden diese Ableitung, da sowohl die Babies als auch die Mamas bei der Geburt schreien.

Nach der Reise vom fünften Stock zurück in die Eingangshalle wurde erstmal pausiert. Die Kinder klagten schon länger über Hunger, also wurde der Reiseproviant verspeist, auf Toilette gegangen und sich dann mit Bus und Bahn auf den Rückweg zur Kita begeben. Was auf dem Hinweg die Aufregung war, hatte sich nun zu Erschöpfung gewandelt, sodass beide Strecken von Unruhe begleitet wurden. Alles in allem hat aber alles sehr gut geklappt und es war ein sehr schöner Ausflug, vor allem weil es mein erster war. Vorher war ich etwas aufgeregt, da wir mit dreizehn Kindern und vier Erwachsenen unterwegs waren und die Verantwortung untereinander fest aufgeteilt hatten, um einen besseren Überblick bewahren zu können. Ich war für drei Kinder verantwortlich und das war wirklich, anders als ich gedacht hätte, sehr anstrengend. Obwohl wir nur ein paar Stunden unterwegs waren, hatte ich meine Mittagspause danach nötig. Durch die durchgehende Anspannung, die die Verantwortung für Kinder mit sich bringt, ist man schon nach einigen Stunden mental und körperlich wirklich ausgelastet. Es hat aber unglaublichen Spaß gemacht, vor allem weil sich mir das Eingangszitat bestätigte. In den Kindern bewegte sich etwas und ich konnte förmlich spüren wie die Erfahrungen etwas in ihnen bewegt und verändert. Alle zurückliegenden Erfahrungen im Leben der einzelnen Kinder haben sie zu den Menschen gemacht die sie jetzt sind und so wird es auch ihr restliches Leben weitergehen. Verschiedene Erfahrungen prägen jedes Kind verschieden und auch diese gemeinsame wird sich wahrscheinlich unterschiedlich auswirken, doch etwas davon mitnehmen, werden auf jeden Fall alle! Liebste Grüße, Michelle 🙂