Das Johanniterhaus Bethanien in Oschersleben – eine Pflegeeinrichtung für Senioren, die zur Diakonie gehört – trägt wie auch andere unserer Einrichtungen das „Great Place to Work“-Siegel. Übersetzt heißt das „Großartiger Arbeitsplatz“ und klingt toll, aber was bedeutet das eigentlich für die Mitarbeiter? Wir haben für euch mit Schwester Anne (36) und Einrichtungsleiterin Kerstin Odenbach gesprochen:
Anne, wie kamen Sie ins Johanniterhaus Bethanien?
Vor fünf Jahren habe ich als Praktikantin angefangen, da war ich schon über 30 Jahre alt. Kurze Zeit später habe ich meine Altenpflege-Ausbildung hier gemacht und wurde dann übergangslos in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Von Anfang an war ich ein vollwertiges Mitglied im Team.
In unserer Einrichtung gibt es viele Weiterbildungsmöglichkeiten, die Heimleitung hat immer ein offenes Ohr für Kritik. Wenn wir Hilfsmittel für die Pflege brauchen, um unsere eigene Gesundheit zu schonen, werden die beschafft. Das Team ist wie eine große Familie. Hier arbeiten viele Frauen und werden natürlich auch mal schwanger. Aber keine muss Angst um ihren Arbeitsplatz haben.
Frau Odenbach, wie regeln Sie das mit den Vertretungen?
Meine Mitarbeiterinnen bekommen sofort ein Beschäftigungsverbot und dürfen ihre Schwangerschaft genießen. Wir haben keine Probleme, für die Zeit Ersatz zu finden. Alle jungen Mitarbeiterinnen haben ein bis zwei Kinder. Wenn sie geboren werden, bekommen sie einen Teddy und einen Begrüßungsbrief.
Unsere frischgebackenen Mütter kommen ganz entspannt nach zwei, drei Jahren wieder. Ihre Arbeitszeiten werden familienfreundlich geplant. Wenn der Kindergarten nicht ganz so früh öffnet, machen wir es möglich, dass die Mütter morgens ein bisschen später zur Arbeit kommen. Das ist möglich, weil wir unsere Bewohner nicht alle um Punkt sechs wecken. Sie dürfen bei uns schlafen, so lange sie wollen, und wir haben dann Zeit, uns um einen nach dem anderen zu kümmern.
Es gibt bei uns 16 verschiedene Dienstzeiten zwischen 6 und 20 Uhr, in die unsere Pflegedienstleitung die Mitarbeiter so einteilt, dass es für alle passt. Für die Nacht haben wir junge Männer als Dauernachtwachen.
Welche mitarbeiterfreundlichen Maßnahmen gibt es noch in Ihrer Einrichtung?
Erstens: Wir zahlen nach Tarif. Zweitens: Jedes Jahr dürfen die Teams unserer drei Wohnbereiche einen Tagesausflug machen und bekommen dafür kostenlos unsere Autos. Außerdem gibt es unsere jährliche so genannte „Rüstzeit“, ein dreitägiges Veranstaltungsangebot mit freizeitlichem Charakter und seelsorglichen Angeboten. Weiterhin gibt es Weihnachtsfeiern, Frauentagsfeiern, Grillpartys für Mitarbeiter und unser Stiftungsfest. Wir ehren unsere Mitarbeiter nicht nur für 10 und 25 Jahre Dienstzeit, sondern auch für 20 Jahre mit einem Blumenstrauß und einem Gutschein. Gratulationen zum Geburtstag, Herren- bzw. Muttertag und ein kleines Dankeschön zu Weihnachten sind selbstverständlich. Wir haben dadurch im Gegensatz zu anderen Pflegeeinrichtungen eine gute Arbeitgeberbindung.
Bei den Urlaubsplänen gibt es klare Regeln und ansonsten mische ich mich nicht ein. Wer Ostern Dienst hatte, muss Weihnachten nicht arbeiten, wer Weihnachten Dienst hatte, muss im nächsten Jahr Weihnachten nicht. Wer drei Wochen Urlaub am Stück nehmen will, muss sich die Erlaubnis seines Teams und der Mitarbeitervertretung einholen, und dann genehmigen wir das auch.
Waren die Zustände bei Ihnen schon immer so?
Ich kam 2006 in diese Einrichtung, war vorher bei verschiedenen privaten Trägern tätig und habe in 30 Jahren Berufsleben viel gesehen. In diesem Haus hier wollte ich endgültig bleiben und alles umsetzen, was ich mir selbst von einem guten Arbeitgeber wünschen würde. Und das wirkt!
Wir haben einen Krankenstand von nur 1,9 Prozent, hier kündigt niemand! Leasing-Kräfte/Zeitarbeit gibt es bei uns nicht. Ich sage immer: Der Fisch stinkt vom Kopf! Wenn ich mich auf meine Pflegedienstleiterin und Wohnbereichsleiter nicht 100 Prozent verlassen könnte, dass sie ihre Arbeit in meinem Sinne machen, würden meine Bemühungen erfolglos bleiben.
Mir ist zum Beispiel eine gute Zusammenarbeit aller Mitarbeiter wichtig. Die Pflegekräfte sollen sich den Mitarbeitern der Johanniter-Servicegesellschaft in der Küche, Reinigung oder der Wäscherei nicht überlegen fühlen. Früher hieß es schon mal „die doofen Putzfrauen“. Ich habe zu meinen Pflegekräften gesagt: Wie fändet ihr das, als Fußabtreter behandelt zu werden? Sprecht Konflikte untereinander an. Und wenn es gar nicht geht, dann kommt ihr zur Pflegedienstleitung oder zu mir. Inzwischen ist das kaum noch nötig, es funktioniert im Team und auch abteilungsübergreifend.
Das hört sich alles fast zu schön an, um wahr zu sein – gibt es denn gar keine Krisen bei Ihnen?
Natürlich ist nicht alles super, es gibt jährliche Mitarbeitergespräche, bei denen auch die Mitarbeitervertretung dabei ist. Da gibt es neben Wertschätzung und Anerkennung manchmal konstruktive Kritik und es fließen auch Tränen. Aber wir mussten noch niemandem kündigen. Wir haben ein Beschwerde- und Fehlermanagement, alle Verbesserungsvorschläge aus der Mitarbeiterschaft werden ernst genommen und in der Regel realisiert.
Zum Beispiel haben sich die Mitarbeiter beklagt, dass für die Pflegedokumentation per Hand zu viel Zeit draufging. Es wurde vorgeschlagen, auf die Tagespflegedokumentation per PC umzusteigen. Und obwohl die Umstellung ein Riesenaufwand ist, weil alle alten Pflegedokumentationen in den PC übertragen werden müssen, haben auch die älteren Mitarbeiterinnen gesagt: Wir lernen das, wir machen mit. Es wurden drei Computer und drei Schreibtische gekauft und jeder Mitarbeiter wird an zwei Tagen pro Monat für die Datenübertragung freigestellt. Keiner murrt, weil alle wissen, das wird in Zukunft Erleichterung bringen.
Und wie bekommt man nun so ein Siegel wie das „Great Place to Work“-Siegel und was hat es Ihnen gebracht?
Die Qualitätsbeauftrage aus der Johanniter-Zentrale in Berlin kam mit dem Vorschlag auf uns zu. Ein Jahr lang mussten wir unsere Maßnahmen der Mitarbeiterfreundlichkeit dokumentieren und eine Mitarbeiterbefragung durchführen. Auf Anhieb haben wir den 2. Platz deutschlandweit errungen und durften zur Preisverleihung nach Berlin!
Die Urkunde hängt jetzt im Eingangsbereich, es gab viele Berichte in Regionalzeitungen und Johanniter-Medien. Nun sind wir zum Vorbild für andere Heim- und Pflegedienstleiter geworden. Letztens rief eine Einrichtungsleiterin aus Schleswig-Holstein an, die auch viel für ihre Mitarbeiter tut und trotzdem einen hohen Krankenstand hat, mit Zeitarbeitern arbeiten und erneut Wohnbereichsleiter einarbeiten muss, sodass sozialer Unfrieden entsteht. Ich habe ihr geraten, jährliche Mitarbeitergespräche durchzuführen, um der Unzufriedenheit auf den Grund zu gehen, sich besondere Mühe mit den Dienstplänen zu geben, denn die erzeugen viel Unzufriedenheit. Und ich habe sie eingeladen, mit ihren Wohnbereichsleitern zu Besuch zu uns zu kommen und sich anzuschauen, wie wir das hier machen.
Auch hier im Ort hat uns das „Great Place to Work“-Siegel unheimlich viel Publicity gebracht. Die Mitarbeiter haben es weitererzählt und wollen ihre eigenen Angehörigen bei uns unterbringen, weil es bei uns gemütlich und respektvoll zugeht. Unsere Mitarbeiter versorgen unsere Bewohner wie früher die Diakonissen – mit Hingabe. Davon hören auch Dritte – wir bekommen Bewerbungen von Azubis von weit außerhalb. Unsere vier Bundesfreiwilligendienstleistenden bleiben gerne auch 1,5 Jahre.
Vielen Dank, Schwester Anne und Einrichtungsleiterin Kerstin Odenbach!
Wenn ihr euch für eine Ausbildung im Johanniterhaus Bethanien Oschersleben bewerben wollt (frühestens für den Ausbildungsgang 2016 wieder möglich), könnt ihr das hier tun. Eine Liste mit den anderen diakonischen Einrichtungen, die das „Great Place to Work“-Siegel tragen, findet ihr hier.