Krankenpfleger Marten (34): „Eine vierjährige Pflegeausbildung wäre gut“

Die Bundesregierung, viele Verbände und Pflegeeinrichtungen arbeiten seit Jahren daran, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu steigern – darunter auch die Diakonie. Aber kommen die Bemühungen auch wirklich an der Basis an? Reicht das, was wir tun, und wissen die Pflegekräfte davon? Marten (34) ist Krankenpfleger im DIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus Bremen und findet: Nein.

Was müssen wir tun, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen?

Er muss familienfreundlicher, stressfreier und besser bezahlt werden. Und der breiten Bevölkerung muss vermittelt werden, dass es ein Beruf mit großer Verantwortung ist. Europaweit genießt der Pflegeberuf ein viel höheres Ansehen als bei uns.

Es gibt schon viele Pflegekampagnen mit dieser Botschaft. Reicht das nicht?

Nein. Nehmen wir das Beispiel des Unerhört-Forums der Diakonie in Bremen. Ich fand, dass dort meine Perspektive als Pfleger kein Gehör fand. Es ging um berufspolitische Anliegen, die Hauptgesprächspartner waren die Herren der Krankenkassen und der Diakonie. Alle sprachen sehr vorsichtig und umschifften die Probleme, so dass sich niemand angegriffen fühlen sollte. Der ursprüngliche Grund für die Veranstaltung, nämlich Ehrenamtliche und Pflegekräfte für ihre Arbeit zu loben, kam viel zu kurz. Die Obrigkeiten haben die Fähigkeit verloren, auf die Basis zu hören.

Welche Ideen hätten Sie?

Ich bin gegen die generalistische Pflegeausbildung. Ich finde, jeder sollte bei seinem Fachgebiet bleiben. Ich fände es gut, wenn die normale Krankenpflege-Ausbildung auf vier Jahre verlängert würde, um wieder mehr Inhalte wie Krankheitsbilder, Pharmazie, Biologie und Anatomie durchzunehmen. Im Moment geht das zwischen organisatorischen Themen wie Abrechnung, Buchhaltung und Dokumentation unter. Mir nutzt es für meine Arbeit im Krankenhaus nichts, wenn ich weiß, wie die Abrechnung mit der Krankenkasse in der ambulanten Pflege abläuft. Das könnte ich auch vor Ort lernen, wenn ich in der ambulanten Pflege eingesetzt wäre.

Können die Pflegekräfte selbst etwas beitragen, um die Situation zu verbessern?

Pflegekräfte schimpfen gerne, aber stehen nicht für sich selbst ein. Wenn ein Pflegeverband aus der Mitte der Pflegekräfte gegründet werden soll, winken alle ab und sagen: „Ach nee, nicht noch eine Kampagne!“ Wir Pflegekräfte müssten uns in der Fläche in den sozialen Netzwerken Gehör verschaffen. Aber wir erschrecken und verstummen, wenn wir sehen, dass Anzugträger über uns statt mit uns reden oder Kommunikationsleute, die noch nie auf Station gearbeitet haben, Filme über uns drehen. Es gibt wenige gute Dokumentationen über die Pflege, die es schaffen, das echte Bild zu transportieren.

Was wäre das echte Bild?

Der Beruf hat tolle Momente, aber auch ermüdende und gesundheitsgefährdende Momente. Es ist nicht so, dass wir alle jeden Tag auf dem Zahnfleisch gehen. Aber die schlechten Tage fangen an zu überwiegen. Es gibt auch bei mir Tage, an denen ich lieber alles hinschmeißen und Tischler werden würde.

Warum bleiben Sie trotzdem am Ball?

Ich bin durch den Zivildienst in die Pflege hineingerutscht. Erst war ich Pflegehelfer in der Altenpflege, dann habe ich die Ausbildung zum Rettungssanitäter und Rettungsassistenten (heute Notfallsanitäter) gemacht. Mir fehlt allerdings das Anerkennungsjahr. Vor sieben Jahren bin ich in die Krankenpflege gewechselt und fühle mich jetzt angekommen. Ich will die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass es wieder besser werden wird. Jeder von uns braucht die Pflege – vom gebrochenen Zeh als Kind bis zu den zahlreichen Krankheiten im Alter. Das bleibt keinem erspart und geht uns durch alle Schichten hinweg etwas an. Das motiviert mich. Ich finde es schade, dass ein Drittel der Berufsanfänger schon während der Ausbildung sagen, dass sie keinesfalls im Pflegeberuf bleiben werden.

Liegt das nur an den Arbeitsbedingungen oder auch an der Einstellung der Generation Y?

Ich denke schon, dass die Einstellung der jungen Leute zur Arbeit eine andere geworden ist. Sie haben eine andere Belastungsgrenze und legen mehr Wert auf Selbstverwirklichung und Freizeit. Möchten sich an der Arbeit nicht aufreiben und arbeiten lieber schon früh in Teilzeit. Andererseits kann man es ihnen auch nicht vorwerfen, dass es ihnen zu viel Verantwortung ist, die schon als Azubi auf ihren Schultern lastet. Sie denken: „Wie soll ich das bis zur Rente durchhalten?“

Gibt es da einen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Pflegekräften?

Erst war die Pflege sehr frauenlastig, dann gab es eine Zeit, in der mehr Männer einstiegen, vor allem im Funktionsbereich, das heißt auf der Intensivstation, in der Ambulanz, in der Gastroskopie. Inzwischen werden es aber wieder weniger Männer. Sie können sich perspektivisch eher vorstellen, im Beruf zu bleiben, aber sie planen ihre Zukunft auch anders, denken an Weiterbildungen wie Wundmanagement oder Schmerzpflege. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass sich dieses Verhältnis wieder ändert.

Was macht Spaß am Pflegeberuf?

Ich liebe meinen Job! Ich mag es, Menschen mit meinem Wissen helfen zu können. Die Fähigkeit des Menschen, sich gegenseitig zu helfen, ist einmalig. Die Arbeit mit Kollegen im Team macht Spaß: Wenn die Pflege und die Ärzte an einem Strang ziehen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Wenn der Patient gesund wird und nach Hause kann, ist das ein tolles Gefühl. Aber auch wenn er verstirbt, man aber im Team alles versucht hat und es gemeinsam reflektiert und gemeinsam trauert – auch das hat eine Art stille Schönheit.

Interview: Diakonie/Maja Roedenbeck Schäfer