Mit einem Hauptschulabschluss habt ihr in Baden-Württemberg eine neue Möglichkeit, in die Welt der sozialen Berufe einzusteigen: die Ausbildung zum „Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen“. Was das genau ist, erklärt euch Bettina Müller-Krimm, Ausbildungsbegleiterin in Mariaberg, in unserem Interview. Und hier haben wir noch einen Erfahrungsbericht von Servicehelfer-Azubi Madeleine (21)!
Frau Müller-Krimm, warum wurde die neue Ausbildung zum Servicehelfer eingeführt?
Wir wollten damit eine Lücke in sozialen Einrichtungen schließen, die immer größer wird. Es gibt in den Einrichtungen einen Grenzbereich zwischen Pflege und Hauswirtschaft, den bisher die Pflegefachkräfte zusätzlich zu ihrer Pflegearbeit mit abdecken mussten. Nun können wir in diesem Bereich speziell ausgebildete Servicehelfer einsetzen. Dadurch kann die Einrichtung eine bessere Serviceleistung für ihre Klienten bringen und die Mitarbeiter fühlen sich dank besserer Arbeitsteilung wohler.
Wir wollten aber auch einen arbeitsmarktpolitischen Beitrag erbringen. Viele junge Menschen mit schlechtem Hauptschulabschluss bekommen bisher keinen Zugang zu den sozialen Berufen. Zu Unrecht, denn ob jemand eine soziale Ader hat, zeigt sich nicht an den Zeugnisnoten. Schlechte Noten heißen nur, dass jemand vielleicht eine Null-Bock-Phase hatte, die er oder sie inzwischen überwunden hat. Junge Menschen mit schlechtem Hauptschulabschluss, die „Sozialkompetenzen“ haben (so nennen wir das), werden in den sozialen Berufen gebraucht, gerade in Zeiten des Pflegenotstandes vor allem in den westlichen Großstädten!
Wichtig zu wissen: Bei den Servicehelfer-Ausbildungen handelt es sich derzeit noch um Modellprojekte, in denen die Fachschulen und Einrichtungen diese neue Ausbildungs- und Beschäftigungsform ausprobieren.
Was macht denn der Servicehelfer genau?
Der Zeitdruck in der Pflege entsteht unter anderem dadurch, dass die Pflegefachkräfte bisher auch fachfremde Tätigkeiten machen, die eigentlich nicht von Pflegefachkräften gemacht werden müssten: Altenpfleger beziehen zum Beispiel Betten, bringen Senioren zum Friseur oder Röntgenbilder dorthin, wo sie gebraucht werden. Außerdem gibt es inzwischen so viel Arbeit in den Einrichtungen, dass vieles von dem, was schön wäre und den betreuten Menschen gut täte, gar nicht mehr gemacht werden kann. All das können bei uns ab sofort die Servicehelfer machen. Sie werden bei uns in Mariaberg seit zwei Jahren in der stationären Altenhilfe und Behindertenhilfe eingesetzt. In Stuttgart gibt es seit sieben Jahren ein Modellprojekt mit Servicehelfern auch in der Krankenpflege.
Dadurch dass zur Servicehelfer-Ausbildung sowohl Pflegegrundlagen als auch Hauswirtschaft, Haustechnik und handwerkliche Fähigkeiten gehören, kann der Servicehelfer viel mehr als spazierengehen und Stützstrümpfe anlegen. Er ist der Allrounder, der unterstützt, wo es eben notwendig ist: beim Vorhang Aufhängen genauso wie beim Essen, beim Bewegen genauso wie beim Kochen. Er ist eigentlich der „ziemlich beste Freund“ unserer Bewohner!
Und für wen ist die Ausbildung zum Servicehelfer gedacht?
Wir möchten Jugendliche mit einem nicht so guten Hauptschulabschluss ansprechen und auch Jugendliche mit sozialen Problemen. Wir möchten ihnen zeigen: Wer gut ist und sich engagiert, wird bei uns gefördert, egal welchen Hintergrund er hat. Wir freuen uns, wenn unsere jungen Leute nach dem Servicehelfer weitermachen, zum Beispiel den Realschulabschluss nachholen oder die Vollausbildung zum Altenpfleger anschließen. Wer Heilerziehungspfleger oder Jugend- und Heimerzieher werden möchte, hat es etwas komplizierter, aber da beraten wir gern. Aber auch, wer das alles nicht macht, ist deutlich weiter, reifer und selbstbewusster, und hat einen guten Job.
Wie sieht die Ausbildung zum Servicehelfer genau aus?
Es eine zweijährige Ausbildung, bei der sich theoretische mit praktischen Ausbildungsphasen abwechseln, wobei die Praxisphasen deutlich überwiegen. Das macht die Ausbildung auch so lebendig. Die Azubis werden eng begleitet durch eine Sozialpädagogin, das bin zum Beispiel ich. Ich helfe in allen Lebenslagen, Konflikte zu lösen, Lernschwierigkeiten abzubauen und auch bei Behördengängen. Das Ausbildungsentgelt ist besonders: im ersten Jahr vielleicht noch etwas lau (420 Euro pro Monat), wenn man dann aber das erste Jahr hinter sich gebracht hat, dann sind es über 1.200 Euro im Monat!
Wie laufen die Modellprojekte bisher?
Anfangs gab es bei den Pflegekräften Ängste, dass die Servicehelfer andere Berufe wie eben den Altenpfleger verdrängen könnten, dass also die Einrichtungen irgendwann nur noch Servicehelfer und keine Altenpfleger mehr einstellen. So ist das natürlich überhaupt nicht gedacht. Aber wir haben auf jeden Fall daran gedacht, dass irgendwann nicht mehr genügend Altenpfleger da sind. Unsere Gesellschaft wird älter und pflegebedürftiger, und es gibt von Jahrgang zu Jahrgang weniger Schulabgänger! Dadurch, dass der Servicehelfer noch ziemlich unbekannt ist, brauchen wir dringend weitere Kooperationspartner. Manche Einrichtungen scheuen sich noch mitzumachen, auch weil die Servicehelfer im 2. Ausbildungsjahr schon relativ viel Geld bekommen. Das ist im Konzept so vorgegeben, um den Beruf aufzuwerten. Als Einrichtung muss man sich das natürlich leisten können, aber ganz ehrlich, jede vernünftige Ausbildung kostet Geld, und das ist eigentlich ganz gut investiert.
Vielen Dank, Frau Müller-Krimm! Infos zur Servicehelfer-Ausbildung in Mariaberg findet ihr hier.